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Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Brandbrief an Lauterbach: Krankenkassen fordern mehr Geld und Reform

Mit einem Brandbrief richten sich die Vertreter von vier Krankenkassenverbänden an den Gesundheitsminister. Es wäre höchste Zeit, die im Koalitionsvertrag vereinbarten Anpassungen für die gesetzliche Krankenversicherung umzusetzen, um so die ungerechte Belastung der Versicherten zu beenden.

  • Laut dem GKV-Spitzenverband fehlen jährlich zehn Milliarden Euro vonseiten des Staates für eine kostendeckende Finanzierung der Beiträge von Bürgergeldempfängern.
  • Ursprünglich wollte die Regierung diese Lücke schließen – so sieht es zumindest der Koalitionsvertrag vor.
  • Doch bislang ist nichts passiert, sodass die Vertreter von vier Krankenkassenverbänden nun einen Brandbrief an den Gesundheitsminister verschickt haben.

In der gesetzlichen Krankenversicherung klafft eine riesige Finanzlücke. Sie geht überwiegend auf die nicht kostendeckenden Beiträge für die Bürgergeldbezieher zurück. Diese Meinung vertreten gleich vier Krankenkassenverbände in Form ihrer Vorstandsvorsitzenden und Geschäftsführer. Sie haben einen Brandbrief an Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geschickt.

Darin fordern die Vertreter der Innungskrankenkassen (Jürgen Hohnl), der Betriebskrankenkassen (Franz Knieps), der Knappschaft (Bettina am Orde) und der Ersatzkassen (Ulrike Elsner) die Regierung auf, diese Schieflage zu beenden, so wie es im Koalitionsvertrag vereinbart wurde. Dort heißt es: „Wir finanzieren höhere Beiträge für die Bezieherinnen und Bezieher von Arbeitslosengeld II aus Steuermitteln.“

Finanzlücke in der gesetzlichen Krankenversicherung verantwortet die Politik

Bislang kommen SPD, Grüne und FDP der Absichtserklärung nicht nach. Der Gesetzentwurf für den Haushalt 2024 sieht keine entsprechenden Ausgaben vor. Zudem ließe eine Strukturreform für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung auf sich warten, kritisieren die Krankenkassenvertreter.

Sie bemängeln zudem, dass der „eigentlich als Preisgestaltungselement der einzelnen Kassen angedachte Zusatzbeitragssatzals Finanzierungsmittel für ein Defizit herhalten muss, das politisch zu verantworten ist. „Das ist weder sachgerecht noch akzeptabel. Jede Beitragserhöhung der Krankenkassen hat erhebliche wettbewerbliche Auswirkungen“, heißt es in dem Schreiben. Die Vertreter stören sich auch daran, dass die ständigen Beitragsanpassungen dazu führen, dass der Wettbewerb zwischen den Kassen zunehmend auf Preisebene stattfindet. Dies widerspreche jedoch der politischen Prämisse, dass der Wettbewerb leistungsbezogen sein soll.

Sollte der Bund der Forderung der höheren Beiträge für Bürgergeldempfänger nicht nachkommen, sollte er wenigstens den allgemeinen Beitragssatz der Krankenkassen von aktuell 14,6 Prozent anheben.

Sollten weitere Einkommen beim Krankenkassenbeitrag berücksichtigt werden?

Die Frage danach, wie die gesetzliche Krankenversicherung langfristig zuverlässig finanziert werden kann, beschäftigt viele Menschen. So hat jüngst das ifo-Institut Dresden untersucht, welchen Einfluss es hätte, weitere Einnahmen, etwa Mieteinnahmen und Zinsen, bei der Beitragsberechnung heranzuziehen. Das Ergebnis: Für die Pflege- und Krankenversicherung würde dies nur ein Plus von 2,5 Prozent oder 4,2 Milliarden Euro bedeuten. Zum Vergleich: Für dieses Jahr erwarten die Kassen ein Minus von 17 Milliarden Euro.

Selbst wenn die Beitragsbemessungsgrenze entfallen würde, bliebe der Effekt überschaubar. Aktuell werden Einkommen bis 4.987,50 Euro im Monat verbeitragt. Ohne diese Grenze kämen die Pflege- und Krankenkasse auf ein Plus von 3 Prozent oder rund 5 Milliarden Euro.