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Bezahlte Pflegezeit vom Bundestag beschlossen

Der Bundestag hat die bessere Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf beschlossen. Künftig haben Arbeitnehmer nicht nur einen Rechtsanspruch auf Pflegezeit. Je nach Unternehmensgröße können sie auch bis zu zwei Jahre in Teilzeit arbeiten, um Familienangehörige zu pflegen. Unsere Gastautorin Margit Winkler kritisiert jedoch das neue Gesetz.

Veröffentlicht am 4. Dezember 2014
Pflege ist Sache der Familie. Egal, ob es sich um Kinder oder um Eltern handelt. Dank moderner Medizin ist die durchschnittliche Pflegezeit erheblich länger geworden. Zusätzlich haben sich Familienstrukturen stark verändert. Was früher die Töchtergeneration in Bezug auf die häusliche Pflege geleistet hat, ist heute einfach nicht mehr möglich. Die Alternative Pflegeheim ist meist wenig attraktiv und kostet verdammt viel Geld. Nicht nur der Betroffenen bzw. dessen Familie muss tief dafür in die Tasche greifen, sondern auch der Staat leistet bei Heimaufenthalt weit mehr als bei Laienpflege.

Verbesserungen bei der Familienpflegezeit schaffen mehr Flexibilität

In der Vergangenheit hat der Staat Regelungen für die Betreuung von Kindern geschaffen: Elternzeit, Erziehungszeit und Kindergarten für unter 3-Jährige. Jetzt entstehen Rahmenbedingungen, die es der Familie besser erlaubt, die Verwandten zu pflegen. Wenn die Familie nicht überlastet ist, ist die Pflege zuhause wahrscheinlich die menschlichste Variante – und jeder will solange wie möglich in den eigenen 4 Wänden bleiben. Damit geht es „Back to the roots“ und zurück zur günstigen Pflege, nämlich durch Ehefrauen, Töchter und Schwiegertöchter in aller Regel.

Welche Verbesserungen gibt es bei der Familienpflege?

10 Tage bezahlte Freistellung: Für eine akute Pflegesituation stehen dem Angehörigen nun 10 Tage bezahlter Sonderurlaub (Pflegeunterstützungsgeld) ab Januar 2015 zu. Das ist vergleichbar mit dem Sonderurlaub bei Krankheit eines Kleinkindes. In dieser Zeit kann der Arbeitnehmer etwa die Organisation der Pflege regeln oder ein Pflegeheim aussuchen. Bei dieser „kurzzeitigen Arbeitsverhinderung“ reicht das ärztliche Attest über den Zustand des Angehörigen aus, wenn noch keine Einstufung in eine Pflegestufe vorliegt.

6 monatige Pflegezeit: Hier handelt es sich um eine unbezahlte, sozialversicherte Freistellung für Arbeitnehmer in Betrieben mit mindestens 15 Angestellten bzw. Arbeitern. Diese Zeit dient der Pflege des Angehörigen oder der Sterbebegleitung – auch mit ambulanter Unterstützung. Neu ist, dass auf die Pflegezeit nun ein Rechtsanspruch besteht und Betroffene während dieser Zeit ein zinsloses Darlehen aufnehmen können.

24 Monate Familienpflegezeit: Um Angehörige in häuslicher Umgebung zu pflegen, haben Angestellte in Unternehmen mit mindestens 25 Arbeitnehmern den Anspruch auf teilweise Freistellung. Dabei muss eine Mindestarbeitszeit von 15 Stunden wöchentlich eingehalten werden, informiert das Bundesgesundheitsministerium. Wegen dem geringeren Verdienst kann auch hier künftig ein zinsloses Darlehen beantragt werden und es besteht ein Rechtsanspruch. Wer Familienpflegezeit beantragt, kann nicht die 6-monatige Freistellung nutzen.

Voraussetzungen für Pflege- und Familienpflegezeit

Anspruch auf Pflegezeit haben Arbeitnehmer, wenn beim Bedürftigen mindestens Pflegestufe I vorliegt und es sich um einen nahen Verwandten handelt. Hierzu gehören neben Kinder, Enkel, Schwieger-, Adoptiv- und Pflegekinder des Ehepartners oder Lebensgefährten dessen Eltern, Großeltern, Geschwister und der Ehepartner, eingetragene Lebenspartner und Partner in eheähnlicher Gemeinschaft.

Pflegezeit für Beamte beträgt bis zu 15 Jahre

Während für Angestellte das Pflegezeitgesetz gilt, sind Beamte davon ausgenommen und können sich wesentlich länger eine Auszeit nehmen, um sich um die Pflege eines Angehörigen zu kümmern. Bei „Teilzeitbeschäftigung mit weniger als der Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit und Urlaub ohne Besoldung dürfen zusammen dabei eine Dauer von 15 Jahren nicht“ überschritten werden, heißt es dazu im Bundesbeamtengesetz Paragraf 92.

Ausnahmen bei der Familienpflegezeit machen Gesetz löchrig

Fazit: Die meisten Menschen wollen da sein, wenn ein Angehöriger Pflege braucht. Mit den aktuell vom Bundestag beschlossenen verbesserten Leistungen geht der Gesetzgeber sicher in die richtige Richtung. Ein extremer Unterschied besteht jedoch zwischen Angestellten und Beamten und aufgrund kurzfristiger Änderungen am Gesetz sogar zwischen Angestellten in Kleinunternehmer bis zu 25 Mitarbeitern, wie etwa Handwerksbetriebe und Freiberufler, und den großen Unternehmen. Das führt dazu, dass rund 7 Millionen Arbeitnehmer von der Familienpflegezeit außen vor bleiben.

Es ist nicht nachzuvollziehen, dass die Freistellung von der Arbeit im Pflegefall nicht für alle gleich sein kann. Die Pflege innerhalb der Familie ist meist nicht nur die beste, sondern auch die günstigste Variante für den Staat. Außerdem sind die Regelungen bei der Erziehung von Kindern auch für alle Arbeitnehmer gleich. Die Größe des Betriebes spielt hier keine Rolle. Es sollte jedem Arbeitsnehmer möglich sein, für seine Mutter da zu sein, wenn er gebraucht wird – genau wie bei einem Kind. Der Staat muss klare Akzente setzen, damit die Gesellschaft besser mit dem Thema Pflege umgehen kann.