Weiblich, berufstätig, vorgesorgt? Der lange Weg zur Altersvorsorge für Frauen

„Wie viel Geld werde ich wohl im Alter übrig haben?” oder „Wie sorge ich dafür, dass ich meinen Lebensstandard in der Rente halten kann?” Diese Fragen haben unter Frauen erst in den vergangenen zwanzig bis dreißig Jahren zunehmend an Bedeutung gewonnen und sind auch heute noch lange keine Selbstverständlichkeit.

2020 stehen Frauen beim Thema Altersvorsorge immer noch ganz am Anfang

finanzen.de hat untersucht, wie sich das Frauenbild in den vergangenen Jahrzehnten verändert hat. Unsere Experten geben mittels unserer Daten aus dem Bereich Altersvorsorge einen Blick auf die aktuelle Vorsorge-Situation unserer Userinnen und einen Ausblick auf das, was sich frau im kommenden Jahrzehnt zu Herzen nehmen sollte. Denn Frauen, die heute in Rente gehen, können ihren Lebensunterhalt ohne zusätzliche Absicherung kaum mit der durchschnittlichen Rente bewältigen

Je früher der Wissensaufbau, umso stärker die Absicherung

Für Frauen war die Rente bis in die 1960er aufgrund ihrer niedrigen Lebenserwartung und der Versorgung durch den Ehemann kein Thema. Demnach mussten sie sich wenig Gedanken über ihre finanzielle Absicherung im Rentenalter machen.

Wie es um die Ruhestandsplanung der Frauen aus heutiger Sicht steht, haben unsere Experten anhand der finanzen.de-Userinnen beobachtet und festgestellt: In diesem Jahrzehnt verzeichnen wir einen stetigen Anstieg der Nachfrage und des Interesses am Thema Altersvorsorge und der privaten Absicherung.

Allerdings wird bei vielen Frauen, die in fünf bis zehn Jahren in Rente gehen, das Geld knapp, wenn sie nicht oder zu spät eigenständig vorgesorgt haben. Denn durch die großen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen weitet sich die sogenannte Gender-Pay-Gap auch auf die Rente aus (Gender-Pension-Gap).

Frauen zwischen 25 und 40 Jahren, die bereits etwas für ihre eigene Versorgung im Alter tun oder dies planen, haben daher den richtigen Schritt gewagt. Langfristig betrachtet sollte dieses Bild jedoch unbedingt in den nächsten 10 Jahren flächendeckend gestärkt werden. Denn der Anteil an Frauen, die sich aktiv um ihre Ruhestandsabsicherung kümmern, macht noch immer nur einen Bruchteil aller Frauen aus. Dazu ist es besonders wichtig, junge Frauen

  • erstens frühzeitig über die Risiken im Alter aufzuklären und ihnen
  • zweitens das Thema anschaulicher vor Augen zu führen.

Gleichzeitig muss ihnen die Hemmnis genommen werden, sich mit dem komplexen Thema zu beschäftigen und die richtige Art von Vorsorge für sich zu finden. Denn die Angst davor, sich die Beiträge auf Dauer nicht leisten zu können sowie Unwissenheit zählen zu den Hauptgründen, die Frauen an diesem wichtigen Schritt hindern.

Der Ländervergleich bestätigt einige Klichees

„Frauen im Westen beschäftigen sich mehr mit dem Thema Altersvorsorge als Frauen in östlichen Regionen des Landes”. Ob es daran liegen mag, dass zwischen den neuen und alten Bundesländern immer noch sowohl Lohn- als auch Rentenunterschiede herrschen. Oder ob  die größere Bevölkerungsdichte in den südwestlich gelegenen Bundesländern der Grund dafür sein mag . Die finanzen.de-Userzahlen können diese Hypothese nicht widerlegen.

Unsere Experten haben die Zahlen ins Verhältnis zur Zahl der weiblichen Bevölkerung im Alter zwischen 25 und 50 Jahren im jeweiligen Bundesland gesetzt und fest steht: Von rund 1,8 Millionen Frauen zwischen 25 und 50 in Nordrhein-Westfalen beschafft sich jede vierte aktiv Informationen zu ihrer finanziellen Ruhestandsabsicherung. In Bayern ist es bei rund 2 Millionen Einwohnerinnen jede siebte und in Baden-Württemberg jede elfte Frau, die selbstständig Interesse an einer Vorsorge zeigt. Berlin sticht als kleines Bundesland hervor: Hier sichert sich auf rund 700.000 Einwohnerinnen jede 14. zusätzlich fürs Alter ab.

In 100 Jahren zur finanziellen Unabhängigkeit

Durch das gestiegene Interesse an Altersvorsorgestrategien in den vergangenen zehn Jahren wird deutlich, dass sich Frauen immer selbstbewusster und selbstorganisierter wahrnehmen. Aktuell erleben wir ein Gesellschaftsbild, welches geprägt wird von Frauen, die sich verstärkt für die Rechte aller Frauen einsetzen. Sie kämpfen dafür, dass nun auch die letzten Züge der Gleichberechtigung umgesetzt werden – auch in finanzieller Hinsicht. Dies ist umso wichtiger in Zeiten, in denen sich das Bild von Beziehungen und Ehen an die emanzipierte Frau anpasst und sie nicht immer auf den (besser verdienenden) Partner angewiesen sein muss beziehungsweise will. Das ist ein Thema, für das sich sowohl Frauen als auch Männer heute gleichermaßen stark machen müssen.

Wie sich die Frau hinsichtlich der finanziellen Vorsorge in den vergangenen 100 Jahren entwickelt hat, veranschaulichen die folgenden Punkte:

Rente und Renteneintrittsalter: Länger arbeiten für weniger Rente

Schon im Jahr 1889 trat das Invaliditäts- und Alterssicherungsgesetz unter Otto von Bismark in Kraft. Dies war die Geburtsstunde unserer heutigen gesetzlichen Rentenversicherung. Diese erste staatliche Sozialgesetzgebung sah Regelungen zum Schutz der Arbeiter für den Fall von Krankheit, Unfall, Invalidität und zur Versorgung im Alter vor. Eine erste Rentenreform im Jahr 1957 sorgte für sogenannte dynamische Renten. Fortan passten sich die Rentenhöhen an, sodass ein gleichbleibender Lebensstandard im Alter gewährleistet war.

Die größte Rentenreform fand im Jahr 2006 statt. Dort wurden durch das Altersanpassungsgesetz weitere Regulierungen beschlossen, wie die Erhöhung des Renteneintrittsalters von 65 auf 67 Jahre.

Erwerbstätigkeit und Berufsbild im Wandel – von der Haus- zur Karrierefrau?

Selbst im 20. Jahrhundert dauerte es noch viele Jahrzehnte, bis sich das Rollenbild der Frau hinsichtlich der Erwerbstätigkeit lockerte und Gesetze verabschiedet wurden, die ein neues, weniger konservatives Frauenbild unterstützten. So galten verheiratete Frauen beispielsweise erst Anfang der 1960er Jahre als geschäftsfähig, mussten allerdings noch bis 1977 ihren Ehemann um die Arbeitserlaubnis bitten. Erst nach und nach etablierte sich das Bild einer Frau, die Haushalt, Kindererziehung und Beruf unter einen Hut brachte. Seit den 1990ern stieg laut Angaben vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft die Quote berufstätiger Frauen von 56,9 Prozent (1994) auf 74,5 Prozent (2016) an.

Wenig verändert haben sich hingegen die Berufe, in denen Frauen tätig sind. Damals wie heute üben Frauen trotz Frauenquote überwiegend Dienstleistungs-, Erziehungs-, oder Pflegeberufe aus. Nicht selten sind sie als Büroangestellte oder im Einzelhandel tätig. Der Anteil von Frauen in Forschung und Wissenschaft nimmt zwar zu, ist aber immer noch verhältnismäßig gering.

Gleiches gilt für Frauen in Führungspositionen. Hier liegt Deutschland im internationalen Vergleich hinten: Die Frauenquote in den Vorständen der DAX-Konzerne liegt laut einer Studie der Allbright-Stiftung bei 12,1 Prozent. Damit befindet sich Deutschland gleichauf mit Indien und der Türkei, die rund 10 Prozent Frauen in ihren Top-Firmen verzeichnen. Ein Vorreiter ist Lettland. Hier sind circa 53 Prozent der Führungspositionen von Frauen besetzt.

Gender-Pay-Gap: Männer bleiben beim Einkommen vorne

Auch beim Einkommen lässt sich im Lauf der letzten 100 Jahre ein Anstieg verfolgen. Verdiente eine Frau Anfang der 1920er Jahre im Schnitt um die 150 Euro brutto monatlich, steht heute schon deutlich mehr auf der Gehaltsabrechnung. Eine höhere Summe bedeutet in den meisten Fällen aber immer noch keine ausreichende Vergütung. Stichwort: Gender-Pay-Gap.

Wie kann es sein, dass Frauen in den meisten Berufen heute immer noch im Schnitt 21 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen verdienen? Ein niedriger Lohn zählt zu den Hauptursachen, die im Alter zu einer geringen Rente oder schlimmstenfalls in die Altersarmut führen. So erhält eine heute 27-Jährige mit einem monatlichen Bruttoeinkommen von rund 2.500 Euro bei regulärem Renteneintritt eine gesetzliche Rente von 1.399 Euro brutto. Dieses Budget reduziert sich schnell, sobald Miete, Lebenshaltungskosten und gegebenenfalls Pflegekosten anfallen.

Heirat und Ehepartner spielen nur die zweite Geige

Weit bis ins 20. Jahrhundert war es für junge Paare gar keine Frage, ob sie vor den Altar treten oder nicht. Eine Frau, die im Alter von 35 nicht verheiratet war, hatte einen schweren Stand in ihrem gesellschaftlichen Umfeld. So zählte die Heirat viele Jahrzehnte lang zum ganz normalen Lauf des Lebens dazu. Mit dem steigenden Willen nach Selbstverwirklichung und beruflicher Weiterentwicklung stellten Frauen zunehmend die Ehe hinten an. Heute heiraten sie – wenn überhaupt – meist erst ab 30.

Dies verdeutlicht auch die Entwicklung der Eheschließungen seit den 80er Jahren. Diese ist im Vergleich zum Anstieg der weiblichen Gesamtbevölkerung in Deutschland fast um 50 Prozent gesunken. Deutlich gewachsen ist in den letzten Jahren hingegen die Scheidungsquote. Diese nähert sich laut Angaben des Statistischen Bundesamtes mit 153.000 Scheidungen im Jahr 2017 an die Zahl der 1990er an. Frauen sind zum Zeitpunkt der Scheidung heute im Durchschnitt 43 Jahre alt. Diese Zahlen spiegeln wider, wie sich das Bild und die Ansprüche einer Ehe im Laufe der Jahre entwickelt haben.

Geburtenrate: Frauen wollen finanzielle Stabilität für den Nachwuchs

Dass sich Frauen für Karriere und Selbstverwirklichung immer mehr Zeit nehmen und später ans Kinderkriegen denken, bestätigen ebnfalls Zahlen des Statistischen Bundesamts. Demnach liegen zwischen dem Alter der Frau bei der Geburt des ersten Kindes in den 1940ern und heute fast acht Jahre. Die Geburtenrate liegt 2018 im Schnitt bei 1,59 Kindern pro Frau und ist damit auf dem Stand der späten 1990er.

Es wird deutlich, dass Frauen sich zunächst auf sich selbst sowie ihre berufliche Weiterentwicklung und damit auch ihre eigene finanzielle Absicherung kümmern möchten, um später ihrem Nachwuchs einen guten Lebensstandard bieten zu können. Da sie zum einen lange Pausen vermeiden möchten, zum anderen jedoch genug Zeit für Familiäres einplanen wollen, starten sie nach der Geburt zunehmend früher ins Berufsleben. Damit stieg laut einer Statistik der Bundesagentur für Arbeit unter anderem vor diesem Hintergrund in den vergangenen zehn Jahren die Anzahl der Teilzeitbeschäftigten um fast drei Millionen Frauen.

Weitere Quellen