Verwahrentgelt: Wann zulässig? Wie hoch? Wie vermeiden?

Über 2.500 Milliarden Euro bunkern die Deutschen bei den Banken. Dafür verlangen immer mehr Geldinstitute eine Gebühr: das Verwahrentgelt, auch Strafzinsen genannt. Ob diese Negativzinsen rechtmäßig sind, darüber sind die Gerichte geteilter Meinung. Sparer, die die Minuszinsen vermeiden wollen, haben verschiedene Optionen.

Einst stellte das Verwahrentgelt lediglich eine Ausnahme bei Banken und Sparkassen dar. Damals, Ende 2014, kam es einem Tabubruch gleich, dass die Deutsche Skatbank das Entgelt in Höhe von 0,25 Prozent auf Einlagen ab 500.000 Euro eingeführt hatte. Lange allein blieb das Kreditinstitut damit jedoch nicht. Ende 2020 waren es schon 180 Banken, die die Minuszinsen berechneten.

Spätestens seit 2021 gehört der Strafzins zum Alltag vieler Sparer. Im März durchbrach sogar die erste Bank die Schallmauer von einem Prozent auf Guthaben ab 500.000 Euro auf dem Tagesgeldkonto.

Mittlerweile erhebt mehr als jedes dritte Geldinstitut die Gebühr. Häufig sind nur Neukunden und Einlagen auf dem Tagesgeldkonto betroffen, zudem sind die Freibeträge vielerorts noch hoch. Es gibt auch aber Anbieter, bei denen Kunden bereits ab dem ersten Euro ein Verwahrentgelt zahlen müssen. Umgehen können sie die Minuszinsen über unterschiedliche Strategien.

Inhaltsverzeichnis

Was ist das? Verwahrentgelt, Strafzinsen, Negativzinsen – alles dasselbe?

Egal ob Privat- oder Firmenkunde: Immer mehr Kontoinhaber bekommen Post von ihrer Bank. Mit einer sogenannten Verwahrentgeltvereinbarung will diese die Strafzinsen für ihre Bestandskunden einführen und somit an die Regelungen für Neukunden anpassen. Anfang Februar 2022 verlangten mehr als 550 der rund 1.300 Geldinstitute zusätzliche Gebühren dafür, dass Kunden Geld bei ihnen anlegen.

Dabei sind Straf-, Minus- oder Negativzinsen eigentlich der falsche Begriff für die Abgabe. Denn Zinsen werden laut Gesetz nur von Schuldnern gezahlt. Juristisch korrekt ist die Bezeichnung Verwahrentgelt. Dennoch wird die Gebühr gerne anders genannt, auch weil es sich für Verbraucher so anfühlt.

Stimmen Sparer mit bestehenden Verträgen den Änderungen nicht zu, drohen die Geldinstitute mit Kündigung. Optional kann es auch sein, dass die Bank keine Einzahlungen mehr annimmt oder nur noch bis zu einer bestimmten Guthabengrenze.

Warum zahlen Kunden Negativzinsen bzw. Strafzinsen?

Durch das Verwahrentgelt zahlen Sparer Geld für die Verwahrung ihres Vermögens, anstatt Zinsen zu bekommen. Dies ist vergleichbar mit dem Schließfach, doch mit einem entscheidenden Unterschied: Im Gegensatz zur real existierenden Metallbox arbeitet die Bank mit dem Geld, das ihr anvertraut wurde – etwa in dem es an Dritte verliehen wird, wofür das Geldinstitut Zinsen bekommt. Der Sparer sieht davon nichts.

Aus Sicht der Banken ist dies kein Problem. Sie sehen die Verwahrentgelte als eine Konsequenz der Niedrigzinsphase der Europäischen Zentralbank (EZB). Diese verlangt aktuell minus

Prozent

Zinsen dafür, dass Banken ihr überschüssiges Geld bei ihr anlegen. Mit diesem Einlagenzins will die EZB erreichen, dass die Banken günstige Kredite anbieten, statt das Geld zu horten, um so die Konjunktur anzukurbeln. Berechnungen zeigen, dass die deutschen Banken 2021 pro Monat zwischen 300 und 350 Millionen Euro an Einlagenzinsen zahlten, in der Summe also mehr als 3,5 Milliarden Euro.

Das klingt zwar viel. Doch durch Freigrenzen der EZB in Höhe vom Sechsfachen der sogenannten Mindestreserve werden die Banken weit weniger belastet, als sie ihren Kunden glauben machen wollen. Dennoch geben viele von ihnen das Verwahrentgelt 1:1 an Kontoinhaber weiter. Einige wenige Banken haben sogar schon damit begonnen, einen höheren Zins zu berechnen als die EZB.

So ist es nicht verwunderlich, dass manche Banken Gewinn mit dem Verwahrentgelt zu machen scheinen. Wie ZDF heute berichtet, erzielte beispielsweise die Deutsche Bank „im vierten Quartal 2020 einen Ertrag von rund 69 Millionen Euro über das sogenannte ‚Deposit Repricing‘.“

Auch die Commerzbank verbuchte im dritten Quartal des gleichen Jahres Ausgaben von 268 Millionen Euro für negative Zinsen. „Demgegenüber stehen ‚positive Zinsen aus passivischen Finanzinstrumenten‘ in Höhe von 442 Millionen Euro. Die Bank gibt also nicht nur den Aufwand weiter, sondern verdient daran“, so das Fazit von ZDF heute.

Intransparente Banken und Sparkassen

Häufig finden Sparer Informationen zum Verwahrentgelt nur schwer. Viele Banken und Sparkassen führen die Gebühren nicht in der sogenannten Entgeltinformation gemäß Zahlungskontengesetz (ZKG) auf – mit Verweis darauf, dass das Verwahrentgelt nicht im Muster der Finanzdienstleistungsaufsicht BaFin zu finden ist und daher nicht aufgelistet werden muss.

Welche Alternativen gibt es, das Geld ohne Verwahrentgelt bzw. Negativzinsen anzulegen?

Schon allein wegen der äußerst geringen Verzinsung sollten Sparer keine hohen Summen auf ihrem Tagesgeld- und Girokonto haben. So verliert das Geld durch die Inflation nur an Wert. Es ist daher sinnvoll, sich zu verschiedenen Geldanlageprodukte beraten zu lassen, um nicht nur das Verwahrentgelt zu vermeiden, sondern auch um mehr Rendite aus dem Vermögen herauszuholen.

Für einen guten Geldanlage-Mix ohne Strafzinsen gibt es unter anderem folgende Optionen:

Vorsicht:

Alternativen, die die Banken anbieten, sollten Sparer unbedingt prüfen. Sie können zwar sinnvoll, aber auch teuer sein, etwa durch einen hohen Ausgabeaufschlag bei Fonds und Provisionen.

Welche Banken verlangen Negativzinsen von ihren Privatkunden ab welchem Freibetrag?

Während zwischen 2015 und 2020 noch vergleichsweise wenig Banken und Sparkassen ein Verwahrentgelt berechnet haben, führten zuletzt immer mehr Geldinstitute die Negativzinsen ein. Es scheint nur eine Frage der Zeit zu sein, bis die Strafzinsen bei allen Anbietern zum Alltag gehören.

Im Schnitt liegt das Verwahrentgelt bei 0,5 Prozent ab einer bestimmten Einlagengröße, zum Beispiel 50.000 Euro oder 100.000 Euro. Häufig greift es beim Tagesgeldkonto, manchmal auch beim Girokonto.

Die folgende Tabelle zeigt die Strafzinsen einiger der größten Banken, Direktbanken, Sparkassen sowie Volks- und Raiffeisenbanken. Die Angaben gelten, soweit nicht anders erwähnt, für das Tagesgeld. Mit dem * markierte Anbieter sehen das Verwahrentgelt bislang nur für Neukunden vor beziehungsweise vereinbaren die Gebühr mit den Bestandskunden auf individueller Basis.

Bank / SparkasseVerwahr­entgeltBerechnet ab (Freibetrag)
Deutsche Bank0,50 %50.000 € Girokonto, 25.000 € Verrechnungs­konto und Tagesgeld­konto
Commerz­bank*0,50 %50.000 €
ING*0,50 %50.000 € auf Giro- und Tagesgeld­konto
DKB*0,50 %25.000 € auf Giro- und Tagesgeld­konto
Comdirect*0,50 %50.000 €
Hamburger Sparkasse0,50 %50.000 € auf Giro- und Tagesgeld­konto
Kreis­sparkasse Köln0,50 %25.000 € bisher nur Neukunden
50.000 Euro Bestands­kunden für Giro und Tagesgeld zusammen
Stadt­sparkasse München*0,50 %50.000 € auf Giro- und Tagesgeld­konto
Frank­furter Sparkasse0,50 %100.000 €
Berliner Volksbank*0,50 – 1,00 %0,50 % ab 50.000 €
0,75 % ab 500.000 €
1 % ab einer Million Euro
BBBank*0,50 %100.000 € Girokonto
Sparda-Bank West0,50 %25.000 € Girokonto
50.000 € Tagesgeld
keine Freibeträge auf weitere Konten
Volksbank Raiff­eisenbank Rosenheim-­Chiemsee0,50 %250.000 €

Die Spanne der Minuszinsen variiert zwischen 0,24 Prozent und 1,00 Prozent (Stand Februar 2022). Die höchsten Strafzinsen erheben aktuell:

  • Volksbank Emmerich-Rees: 0,7 % ab 500.000 Euro
  • VR-Bank Landsberg-Ammersee*: 0,7 % ab 10.000 Euro
  • Bank 1 Saar*: 0,75 %, ab 10.000 Euro
  • Berliner Volksbank*: 1,00 % ab 1 Million Euro
  • Merkur Privatbank*: 1,00 % ab 100.000 Euro Tagesgeld

Neben der Zinsspanne unterscheiden sich die Banken auch deutlich beim Freibetrag: von mehreren zehntausend Euro bis Null Euro. Vor allem Raiffeisenbanken berechnen das Verwahrentgelt bereits ab dem ersten Euro auf dem Tagesgeldkonto, etwa:

BankVerwahr­entgelt
Raiffeisen-Volksbank Bad Staffelstein0,6 %
Raiffeisen – meine Bank (Hilpoltstein)0,5 %
Raiffeisenbank Bad Kötzting0,4 %
Raiffeisenbank Bobingen0,5 %
Raiffeisenbank Stauden0,5 %
Volks- und Raiffeisenbank Saarpfalz0,5 %

Aber auch andere Anbieter verzichten auf Freibeträge für ihre Kunden beim Tagesgeldkonto wie:

  • Hamburger Volksbank: 0,5 % für Neukunden
  • Mainzer Volksbank: 0,5 %
  • PSD Bank Nürnberg: 0,5 % Zweitkonto Girokonto
  • Volksbank Brenztal: 0,5 %

(Quelle: biallo.de, Stand Februar 2022)

Wie wird der Freibetrag und das Verwahrentgelt berechnet?

Das Verwahrentgelt wird tagesaktuell abgerechnet. Die Berechnung ist dabei ganz einfach: Vom Guthaben wird der Freibetrag abgezogen. Auf die Differenz wird der Negativzins berechnet.

Dazu ein Beispiel:

Der Freibetrag liegt bei 50.000 Euro, das Verwahrentgelt bei 0,5 Prozent und das Vermögen bei 150.000 Euro.

Von den 150.000 Euro wird der Freibetrag abgezogen. Bleiben 100.000 Euro. Auf das ganze Jahr gerechnet liegt die Gebühr somit bei 500 Euro (100.000 Euro geteilt durch 100 mal 0,5).

Betrug das Guthaben nur an sieben Tagen im Jahr 150.000 Euro und blieb die restliche Zeit unter der Freibetragsgrenze, ergibt sich für diesen Zeitraum ein Verwahrentgelt von 9,72 Euro (500 Euro geteilt durch 360 Tage mal 7 Tage).

Warum hat das Zinsjahr nur 360 Tage?

Laut Deutscher kaufmännischer Zinsmethode wird davon ausgegangen, dass jeder Monat 30 Zinstage hat. Entsprechend gehen die Banken bei der tagesaktuellen Abrechnung nicht von 365 Tagen aus, sondern von 360 Tagen.

Wann dürfen Banken Negativzinsen verlangen – und wann nicht?

Bisher sind sich die Gerichte uneins darüber, ob und wann die Verwahrentgelte zulässig sind. So hat das Landgericht Berlin im Oktober 2021 das Verwahrentgelt der Sparda-Bank Berlin als unzulässig erklärt. Die Richter sehen in der Verwahrung von Einlagen auf dem Girokonto keine Sonderleistung, für die eine Gebühr erhoben werden darf. Mehr noch: die Negativzinsen sind nicht „mit dem wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung“ zu vereinbaren (Az. 16 O 43/21).

In einem weiteren Urteil aus dem Januar 2022 hat zudem das Landgericht Düsseldorf die Negativzinsen der Volksbank Rhein-Lippe auf dem Girokonto für unzulässig erklärt. Demnach ist es nicht erlaubt, neben den Kontoführungsgebühren ein weiteres Entgelt zu berechnen. Die Geldverwahrung sei keine zusätzlich angebotene Sonderleistung, die Kunden auch abwählen könnten (Az. 12 O 34/21).

Das Landgericht Leipzig hat im Juli 2021 in einem anderen Fall dagegen entschieden, dass das Verwahrentgelt grundsätzlich zulässig ist (Az. 5 O 640/20). In letzter Instanz wird sich daher wohl der Bundesgerichtshof mit der Zulässigkeit von Negativzinsen befassen müssen.

Treibende Kraft bei der Frage, welche Gebühren die Geldinstitute erheben dürfen, sind die Verbraucherzentralen. Sie haben diverse Gerichtsurteile zu den Strafzinsen erwirkt, etwa:

  • Bei bestehenden Verträgen für FlexGeld, Termingeld und Kündigungsgeld ist die Einführung von Strafzinsen nicht erlaubt (Landgericht Tübingen 2018, Az. 4 O 187/17)
  • Bei einem Riester-Rente-Vertrag darf die variable Grundverzinsung nicht negativ sein (Oberlandesgericht Stuttgart März 2019, Az. 4 U 184/18)

Ebenfalls wichtig:

Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom April 2021 muss sich die Bank die Einwilligung des Kunden über die Gebührenanpassungen einholen (Az. XI ZR 26/20). Es reicht nicht aus, einfach die AGBs zu ändern.

Greift die Politik bald ein?

Auf politische Ebene scheinen die Verwahrentgelte derzeit nicht auf der Agenda zu stehen. Zwar hatten sich die Verbraucherschutzminister der Bundesländer im April 2021 für einen gesetzlichen Rahmen etwa bei der Höhe der Negativzinsen eingesetzt. Doch die ehemalige Bundesregierung sah keine ausreichend guten Begründungen, um in die Preisgestaltung für die Dienstleistungen der Geldhäuser einzugreifen.

Wie die Koalition aus SPD, Grünen und FDP mit dem Thema umgehen will, ist ungewiss. Im Koalitionsvertrag finden sich zumindest keine entsprechenden Absichtserklärungen.