Anja Schlicht
Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Bundesrat billigt Antikorruptionsgesetz trotz Schwachstellen

Der Bundesrat hat das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen gebilligt, obwohl er zwei Schwachstellen bemängelt. Auch die Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte ist mit dem Antikorruptionsgesetz unzufrieden. Warum, erläutert die Ärztliche Geschäftsführerin Dr. med. Christiane Fischer finanzen.de. Dabei weist sie zudem auf die Gefahren von TTIP hin.

Veröffentlicht am 13. Mai 2016

Niedergelassene Ärzte, die sich bestechen lassen, konnten dafür jahrelang nicht strafbar gemacht werden. Mit dem Antikorruptionsgesetz hat die Regierung nun diese Gesetzeslücke geschlossen. Kritiker des Gesetzes, wie die gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Die Linke im Bundestag, Kathrin Vogler, bemängeln jedoch, dass der „Schutz der Patienten nicht ausreichend gestärkt ist.“ Grund dafür stellt eine kurzfristige Anpassung des Gesetzes dar. Der Schutz des Wettbewerbs ist nun das wichtigste Ziel, so Vogler.

Gesetz gegen Korruption im Gesundheitswesen vom Bundesrat kritisiert

Nicht nur Vogler sieht das Gesetz kritisch. Auch der Bundesrat, der heute das Antikorruptionsgesetz gebilligt hat, weist darauf hin, „dass bereits jetzt Strafbarkeitslücken im Gesetz absehbar seien. Eine wirksame Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen müsse deswegen nicht nur auf den Wettbewerbsschutz, sondern auch auf den Patientenschutz abstellen.“ Die Länderkammer beanstandet zudem, dass Apothekerinnen und Apotheker vom Gesetz nicht erfasst werden. Dieser Punkt ist mit Hinblick auf den jüngsten Skandal um sogenannte Luftrezepte besonders bedenklich.

Die Initiative unbestechlicher Ärztinnen und Ärzte, die sich mit MEZIS für „Mein Essen zahl‘ ich selbst“ abkürzt, kritisiert dagegen besonders stark, dass sogenannten Anwendungsbeobachtungen keinen Riegel vorgeschoben wurde. Hierbei zahlen Pharmaunternehmen Ärzte dafür, dass sie die Wirkungsweise ihrer Medikamente dokumentieren. Dennoch ist die Initiative froh, dass das Gesetz da ist, erläutert die Ärztliche Geschäftsführerin Dr. med. Christiane Fischer. Auch über das Freihandelsabkommen TTIP hat finanzen.de mit der Ärztin gesprochen.

Antikorruptionsgesetz fördert nicht das Vertrauen zwischen Arzt und Patient

Der Bundesrat gab heute grünes Licht für das Gesetz zur Bekämpfung von Korruption im Gesundheitswesen. Jedoch wurde es durch die kurzfristige Streichung des Verweises auf die berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit aufgeweicht. Können Sie zwei Beispiele nennen, welche Form der Beeinflussung von Ärzten dadurch weiter straffrei bleibt?

Dr. med. Christiane Fischer: Aus unserer Sicht hätte der Verweis ohne Probleme im Gesetz bestehen bleiben können. Zwar variieren die jeweiligen Berufsverordnungen von Bundesland zu Bundesland, doch die Unterschiede sind gering. Eine Umsetzung wäre machbar gewesen. Nun bleibt beispielsweise die Einladung zum Essen für einen Arzt vonseiten eines Pharmaunternehmens straffrei, wenn er im Gegenzug ein bestimmtes Medikament bevorzugt. Ähnlich verhält es sich mit den sogenannten Anwendungsbeobachtungen, die aus unserer Sicht legalisierte Korruption sind. Auch hier können Ärzte weiter gegen ein Honorar die Wirkung neuer Medikamente an ihren Patienten festhalten.

Führt das Gesetz zu einer Stärkung des Vertrauens zwischen Arzt und Patient?

Dr. med. Christiane Fischer: Nein. Eine Stärkung des Vertrauens wäre der Fall gewesen, wenn der Bezug zum Berufsrecht nicht gestrichen worden wäre. Dort ist beispielsweise geregelt, dass das Interesse Dritter nicht über das Wohl der Patientinnen und Patienten gestellt werden darf. Da nun lediglich die wirtschaftliche Bestechung verboten ist – also wenn direkt Geld zwischen Arzt und beispielsweise Pharmaunternehmen fließt –, fördert das Antikorruptionsgesetz das Vertrauen zwischen Arzt und Patient nicht.

Wie bewerten Sie das Antikorruptionsgesetz insgesamt? Welche Verbesserungen sind Ihrer Meinung nach noch notwendig, um korrupte Verhaltensweisen im Gesundheitswesen effektiv zu bekämpfen?

Dr. med. Christiane Fischer: Wir sind froh, dass das Gesetz da ist und hätten es daher auch nicht abgelehnt. Immerhin gab es mit der Änderung, aus dem Strafbestand Korruption im Gesundheitswesen ein Offizialdelikt zu machen, auch ein kurzfristige positive Anpassung. So kann nun jeder bei entsprechendem Verdacht Anzeige erstatten.

In einem weiteren Anlauf, für den wir uns stark machen, muss jedoch beispielsweise der Verweis auf die berufsrechtliche Pflicht zur Wahrung der heilberuflichen Unabhängigkeit aufgenommen werden. Auch die Anwendungsbeobachtungen müssen besser reguliert werden.

„An TTIP ist nichts Positives zu sehen“

Das Freihandelsabkommen TTIP steht seit Monaten in der Kritik. Dabei geht es nicht nur um das viel zitierte im Chlorbad desinfizierte Hühnchen, das bald auf heimischen Mittagstischen landen könnte, sondern auch um die Anerkennung genmanipulierter Lebensmittel. Sehr kritisch wird der Einfluss der Wirtschaft gesehen, die künftig Gesetzesvorhaben blockieren könnten, mit denen beispielsweise Verbraucher besser geschützt werden sollen, wenn die Neuregelungen für den Handel schädlich sind. Kritiker befürchten zudem sinkende soziale Standards.

Bei all der Kritik rund um das Freihandelsabkommen TTIP geht oft unter, welchen Einfluss es auf deutsche Gesundheitsstandards hätte, beispielsweise hinsichtlich günstigerer Nachahmer-Präparate, die mit TTIP erst später auf den Markt kommen könnten. Inwiefern kann TTIP dem deutschen Gesundheitssystem gefährlich werden?

Dr. med. Christiane Fischer: Es ist schwer, konkrete Auswirkungen auf die Bürgerinnen und Bürger zu benennen, da die Verhandlungen im Geheimen stattfinden. Selbst die jüngst von Greenpeace geleakten Dokumente stellen nur einen Status Quo und keinen finalen Stand der Verhandlungen dar. Dennoch kann man sagen, dass mit dem Freihandelsabkommen TTIP beispielsweise eine Aufweichung der Patentierbarkeit von pharmazeutischen Produkten droht.

Derzeit ist mit dem sogenannten TRIPS-Abkommen (trade-related aspects of intellectual property rights) geregelt, dass ein 20-jähriger Patentschutz auf alle Produkte gilt, die innovativ, neu und industriell herstellbar sind. Aus unserer Sicht stellt TRIPS bereits eine Verschlechterung der Patentrechtvergabe dar, mit der man jedoch noch leben kann. Mit TTIP könnte die Patentrechtvergabe erneut erleichtert werden, sodass sich Pharmakonzerne selbst geringste Anpassungen an ihren Arzneien patentieren lassen können. Durch den Patentschutz würde dies die Herstellung kostengünstiger Präparate deutlich erschweren. TTIP ist somit schlecht für die Produktion von Generika und schlecht für kostengünstigere Medikamente.

Unabhängig von der Kritik, bietet TTIP in Bezug auf deutsche Gesundheitsstandards Vorteile?

Dr. med. Christiane Fischer: An TTIP ist nichts Positives zu sehen.

Lehnen Sie TTIP grundsätzlich ab?

Dr. med. Christiane Fischer: Die geleakten Greenpeace-Dokumente zeigen, dass die USA eine knallharte Position vertreten. Sie wollen den Verbraucherschutz im gesundheitlichen Bereich aufweichen. Wir lehnen daher TTIP grundsätzlich ab, schon allein aufgrund der Geheimverhandlungen.

Vielen Dank für das Interview, Frau Dr. Fischer!

Zur Person: Dr. med. Christiane Fischer hat 2006 die MEZIS mit gegründet und war bis 2013 im geschäftsführenden Vorstand. 2012 wurde sie in den Deutschen Ethikrat berufen und arbeitet seit März 2013 als Ärztliche Geschäftsführerin von MEZIS. Zur Internetseite