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Entfristung von Arbeitsverträgen: Vorgehen der Post ist unsozial

Nicht mehr als 20 Krankentage in zwei Jahren und maximal zwei Verkehrsunfälle mit weniger als 5.000 Euro Schaden – einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommt bei der Deutschen Post nur, wer diese Kriterien erfüllt. Für Christina Dahlhaus von der Kommunikationsgewerkschaft DPV ist das ein mitarbeiterfeindliches Verhalten. Um hier einzulenken, sieht sie die Politik in der Pflicht.

Veröffentlicht am 23. Mai 2018

Damit Mitarbeiter bei der Deutschen Post einen unbefristeten Arbeitsvertrag bekommen, dürfen sie in den ersten 24 Monaten insgesamt höchstens sechs Mal krank sein. Nachdem bekannt wurde, nach welchen Kriterien das Unternehmen Angestellte entfristet, gab es vor allem aus der Politik viel Kritik. Auch die Kommunikationsgewerkschaft DPV (DPVKOM) lehnt das Vorgehen der Post ab. Die Arbeitnehmerorganisation setzt sich für die Belange von Beschäftigten bei der Post, Postbank, Telekom und bei Call-Centern ein.

Im Interview mit finanzen.de erklärt die Bundesvorsitzende, Christina Dahlhaus, welche Ziele die Gewerkschaft dabei verfolgt und was sie sich hinsichtlich der Besserstellung von Arbeitnehmern von der Politik erhofft.

Die Deutsche Post will Verträge von Angestellten nur dann entfristen, wenn diese in den letzten zwei Jahren nicht mehr als 20 Tage krankheitsbedingt gefehlt haben. Wie stehen Sie zu diesem Vorgehen?

Christina Dahlhaus: Aus Sicht der Kommunikationsgewerkschaft DPV ist diese Vorgehensweise unsozial und nicht hinnehmbar. Die Kriterien für eine Entfristung sind schlichtweg mitarbeiterfeindlich. Viele Beschäftigte der Deutschen Post, insbesondere im Zustelldienst, leiden unter der starken Arbeitsbelastung und dem Arbeitsdruck. Dass Menschen dadurch krank werden oder aufgrund des Stresses Unfälle bauen, bleibt dann nicht aus. Die Post bezeichnet sich selbst gerne als „Arbeitgeber erster Wahl“. Wer diesem Anspruch gerecht werden will, muss anders mit seinen Mitarbeitern umgehen.

Nach Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes ist das Verfahren der Post aus arbeitsrechtlicher Sicht legitim. Dennoch hat Finanzminister Olaf Scholz (SPD) angekündigt, dagegen vorgehen zu wollen. Welchen Einfluss kann die Politik hier nehmen?

Christina Dahlhaus: Zum einen muss die Politik ihren Einfluss im Aufsichtsrat der Deutschen Post geltend machen und sich für eine Änderung der Kriterien einsetzen. Schließlich ist der Bund noch mit 20,6 Prozent an dem Unternehmen beteiligt. Das reicht jedoch bei Weitem nicht aus.

Als DPVKOM fordern wir schon seit Jahren, dass die Politik das Teilzeit- und Befristungsgesetz zum Schutz der Beschäftigten verbessern muss. Die sachgrundlose Befristung gehört abgeschafft. Eine Probezeit sollte zur Einschätzung der Arbeitsqualität reichen. Die Politik muss endlich umfassend zum Wohle und in sozialer Verantwortung der Menschen handeln.

Wie können sich die Mitarbeiter wehren? Welche Unterstützung bekommen sie dabei von Ihnen?

Christina Dahlhaus: Das ist nicht ganz einfach. Viele Mitarbeiter wehren sich nicht oder wollen sich nicht wehren, weil sie Angst davor haben, dass ihr Arbeitsvertrag dann nicht entfristet wird. Das führt unter anderem dazu, dass sie trotz Krankheit arbeiten gehen, um die Kriterien für eine Entfristung irgendwie einhalten zu können.

Wir können den Mitarbeitern nur raten, sich mit der betrieblichen Interessenvertretung oder direkt mit uns in Verbindung zu setzen, wenn sie Hilfe benötigen. Den Mitgliedern unserer Gewerkschaft stehen wir immer mit Rat und Tat zur Seite und scheuen dabei auch keinen Rechtsstreit mit dem Arbeitgeber. So haben wir schon des Öfteren erfolgreich auf eine Entfristung von Arbeitsverträgen geklagt.

SPD und Union haben im Koalitionsvertrag festgeschrieben, die sachgrundlose Befristung künftig einzudämmen. Wie beurteilen Sie dieses Vorhaben?

Christina Dahlhaus: Aus Sicht der Arbeitnehmer ist dies ein Schritt in die richtige Richtung und längst überfällig. Er reicht jedoch nicht aus. Dem Koalitionsvertrag zufolge sollen Arbeitgeber mit mehr als 75 Beschäftigten höchstens 2,5 Prozent ihrer Angestellten mit einer sachgrundlosen Befristung beschäftigen dürfen. Außerdem sollen sachgrundlose Befristungen nur mit einer Höchstdauer von 18 Monaten und einer einmaligen Verlängerung abgeschlossen werden.

Wir begrüßen zwar die Begrenzung der befristet eingestellten Mitarbeiter. Allerdings ist die Maximaldauer eines befristeten Arbeitsvertrages sowie die ebenfalls vorgesehene einmalige Verlängerungsmöglichkeit für die Betroffenen kein großer Gewinn und nach wie vor eine unsoziale Zumutung.

Das gilt auch für die Begrenzung der Befristungen mit Sachgrund. Hier soll es zukünftig eine zeitliche Obergrenze für sogenannte Kettenbefristungen von fünf Jahren geben. Kettenbefristungen, also mehrere befristete Verträge hintereinander, sind ebenfalls unsozial. Betroffene Menschen leben in ständiger Unsicherheit, können nicht planen und bekommen mit einem befristeten Vertrag nur schwer einen Mietvertrag oder einen Kredit. Hier muss die Politik handeln.

Eines Ihrer Ziele ist es, die Beschäftigten der Post, Postbank, Telekom und bei Call-Centern auf Augenhöhe mit ihren Arbeitgebern zu bringen. Was sind für Sie die drei wichtigsten Maßnahmen, um dies zu ermöglichen?

Christina Dahlhaus: 1. Eine Stärkung der Position der DPVKOM und damit auch der Beschäftigten in den Unternehmen durch eine Erhöhung des gewerkschaftlichen Organisationsgrades.

2. Die Ausweitung der Rechte von Arbeitnehmern und Betriebsräten durch Gesetzesänderungen, wie des Teilzeit- und Befristungsgesetzes, des Tarifvertragsgesetzes oder des Betriebsverfassungsgesetzes. Außerdem fordern wir Nachbesserungen bei Betriebsübergängen gemäß §613a BGB.

3. Der Abschluss von Tarifverträgen zur Verbesserung der Arbeits- und Entgeltbedingungen mit dem Ziel, dass die Arbeit bis zum Renteneintrittsalter auch gesundheitlich zu schaffen ist.

Vielen Dank für das Interview, Frau Dahlhaus.

Das Interview führte Annabell Meyer.