Person im Nebel am Ende eines Stegs
Anja Schlicht
Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Betriebsrente: Aktuell kein sinnvoller Baustein der Altersversorgung?

Diese Woche wollen SPD, Grüne und FDP den Koalitionsvertrag vorstellen. Geht es nach dem Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv), müsste dieser einige klare Schritte beinhalten, um die betriebliche Altersvorsorge zu reformieren. Andernfalls sei es nicht sinnvoll, die Betriebsrente zu stärken. vzbv-Chef Klaus Müller warnt sogar vor solchen Gedankenspielen.

  • Die Betriebsrente steht trotz der Reformen der Vergangenheit vor drei großen Problemen.
  • In einem Positionspapier macht der Verbraucherzentrale Bundesverband auf die Schwachstellen aufmerksam.
  • Werden diese Nachteile nicht behoben, läuft eine Stärkung der Betriebsrente ins Leere.

Der Bundesregierung zufolge hat sich die Anzahl der Personen mit einer betrieblichen Altersvorsorge (bAV) zwischen 2015 und 2019 um 700.000 Menschen erhöht. Gleichzeitig waren in diesem Zeitraum aber auch über 2,5 Millionen mehr Personen sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Statt die Verbreitung der Betriebsrente zu erhöhen, ist die Quote von 56,2 Prozent auf 53,9 Prozent gesunken.

Abzuwarten bleibt zwar, wie sich die Einführung des Freibetrags beim Krankenkassenbeitrag sowie der verpflichtende Arbeitgeberzuschuss auf die Attraktivität der betrieblichen Altersvorsorge auswirken wird. Aus Sicht des vzbv ist jedoch klar, dass die Betriebsrente in ihrer derzeitigen Form zu viele Nachteile hat und somit weit entfernt davon ist, zu einer tragenden Säule der Alterssicherung zu werden.

Die Verbraucherschützer haben daher in einem Positionspapier die aus ihrer Sicht wichtigsten Stellschrauben definiert, damit die Betriebsrente gestärkt werden kann.

bAV-Einzahlungen nur nach Abzug des Rentenbeitrags

Eines der Probleme der Betriebsrente wird häufig als Vorteil genannt: die Entgeltumwandlung. Dabei fließt der Beitrag für die bAV vom Bruttoeinkommen ohne Abzüge in den Vertrag. Ohne Abzüge bedeutet: Es werden keine Sozialabgaben und Steuern erhoben. Dies ist jedoch für die gesetzlichen Rentenansprüche von Nachteil. Denn durch das verringerte Bruttoeinkommen reduziert sich der Beitrag an die Rentenkasse.

Dazu ein Beispiel:

Wer 3.500 Euro verdient, zahlt rund 326 Euro an die gesetzliche Rentenversicherung. Gehen 100 Euro vom Bruttoeinkommen an die betriebliche Altersvorsorge, bleibt ein Betrag von 3.400 Euro übrig, auf dessen Grundlage der Rentenbeitrag berechnet wird. Dieser liegt dann bei knapp 316 Euro.

Neben der individuell geringeren gesetzlichen Rente wird zudem das System der gesetzlichen Rente generell in Mitleidenschaft gezogen, da weniger Beitragszahlungen fließen. Das Fazit vom vzbv ist daher eindeutig: „Eine ergänzende betriebliche Altersversorgung, die dazu führt, die gesetzliche Rente zu schwächen, ist nicht sinnvoll“, heißt es im Positionspapier.

Verträge müssen bei Jobwechsel flexibler werden

Ein weiteres Problem stellt die stark eingeschränkte Mitnahme des Vertrags dar. Wechseln Arbeitnehmer ihren Arbeitgeber, können sie nur den Rückkaufswert des alten Vertrags auf den neuen Anbieter übertragen – sofern bestimmte Bedingungen erfüllt sind. Vergehen nur wenige Jahre zwischen dem Abschluss und dem Jobwechsel, verlieren Versicherte durch die Abschlussgebühren „erhebliche Teile des eingezahlten Kapitals. Nutznießer sind der Finanzvertrieb, der nur durch Neuabschlüsse Provisionserträge generieren kann, und Arbeitgeber, die bAV-Verträge als Instrument der Mitarbeiterbindung nutzen.“

Betriebsrente braucht mehr Spielraum bei der Kapitalanlage

Ebenfalls problematisch, insbesondere in der anhaltenden Niedrigzinsphase, ist die Durchführung der betrieblichen Altersvorsorge über eine Lebensversicherung. Sie ist nicht nur unflexibel, sondern auch renditeschwach, da die Beiträge aufgrund von Garantiezusagen hauptsächlich in festverzinsliche Anleihen fließen. Hinzu kommen hohe Abschlusskosten.

„Sollte die neue Regierung die betriebliche Altersvorsorge aufwerten wollen, müsste sie diese Schwächen zuerst beheben“, fordert Müller gegenüber der Welt am Sonntag. Andernfalls warne er „vor Gedankenspielen, bei der kapitalgedeckten Altersvorsorge auf die betriebliche Vorsorge in ihrer derzeitigen Form zu setzen.“

Sind die Nachteile einmal behoben, kann die Betriebsrente auch gestärkt werden, etwa „mit der Einführung eines öffentlich-rechtlich organisierten Vorsorgefonds“, heißt es im Positionspapier.