Person rechnet mit Taschenrechner
Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Bundestag senkt Zinsen für Steuernachzahlungen um mehr als 4 Prozent

Die jährlichen Zinsen für Steuernachzahlungen sind mit sechs Prozent sehr hoch. Zu hoch, urteilte das Bundesverfassungsgericht bereits im Juli 2021 und forderte die Regierung auf, die Regelungen anzupassen. Nun hat der Bundestag eine Absenkung des Zinssatzes auf 1,8 Prozent pro Jahr rückwirkend zum 1. Januar 2019 beschlossen.

Veröffentlicht am 28. Juni 2022

  • Steuernachzahlungen werden künftig weniger stark mit Zinsen belastet.
  • Der jährliche Zinssatz wird deutlich von 6 Prozent auf 1,8 Prozent abgesenkt.
  • Die Regierung wurde vom Bundesverfassungsgericht aufgefordert, den Zinssatz nach über 50 Jahren anzupassen.

Seit mehr als 50 Jahren war der Zinssatz unverändert, den das Finanzamt verlangt, wenn Steuerzahler mit ihrer Steuernachzahlung in Verzug gerieten. Diese Ära endet nun. Denn nachdem das Bundesverfassungsgericht vor rund einem Jahr feststellte (Urteile mit den Aktenzeichen 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17), dass die Steuerzinsen viel zu hoch im Vergleich zum Marktzinssatz sind, wurden sie nun angepasst. Statt 0,5 Prozent pro Monat beziehungsweise sechs Prozent im Jahr wird der Zinssatz nun bei monatlich 0,15 Prozent (1,8 Prozent im Jahr) liegen.

Dem Entwurf eines „Zweiten Gesetzes zur Änderung der Abgabenordnung und des Einführungsgesetzes zur Abgabenordnung“ hat der Bundestag vergangene Woche zugestimmt. Am 8. Juli wird sich der Bundesrat mit dem Gesetzentwurf befassen.

Steuernachzahlungen und Steuererstattungen betroffen

In den Augen der Richter ist der Zinssatz bereits seit Januar 2014 verfassungswidrig gewesen. Gleichzeitig hielten sie ihn jedoch bis Ende 2018 noch für anwendbar. Für die Verzinsungszeiträume ab 2019 forderte das Bundesverfassungsgericht eine Anpassung. Der neue Zinssatz betrifft nun alle neu erstellten Steuerbescheide sowie jene, die nicht bestandskräftig sind.

Der Zinssatz ist nicht nur für Steuernachzahlungen relevant. Muss das Finanzamt Steuern erstatten, bekommen Steuerzahler die Rückzahlung samt Zinsen. Durch die Änderung des Zinssatzes rückwirkend zum 1. Januar 2019 muss das Finanzamt nun die Zinsen neu berechnen. Zu viel gezahlte Zinsen sollen Steuernachzahler zurückerstattet bekommen.

Wer eine Steuerrückzahlung mit Zinsen erhalten hat, muss dagegen nicht befürchten, zu viel erhaltene Zinsen ans Finanzamt zahlen zu müssen. Nach Angaben der Koalition greift der neue Zinssatz erst bei künftigen Fällen.

Kritiker bemängeln intransparente Festlegung der Zinshöhe

Damit die Regierung nicht wieder in eine verfassungswidrige Situation gerät, wird der Zinssatz in Zukunft regelmäßig bewertet. 2026 könnte sich der Zinssatz daher wieder ändern. „Mit der Evaluierungsklausel sorgen wir dafür, dass der Zinssatz auch zukünftig angemessen bleibt“, so Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Diese Entscheidung trifft auf viel Zustimmung. Kritik verursacht dagegen die Höhe des gewählten Zinssatzes. Es sei nicht transparent nachvollziehbar, welche Berechnungsgrundlagen zu diesem Satz geführt haben, bemängeln beispielsweise die Spitzenverbände der deutschen Wirtschaft und der Bund der Steuerzahler.

Wann werden die Steuerzinsen fällig?

Die Zinsen sind nicht nur für die Einkommensteuer wichtig, sondern auch für die Körperschaft-, die Vermögen-, die Gewerbe- und die Umsatzsteuer. Sie müssen gezahlt werden, wenn sich eine Steuernachzahlung oder eine Erstattung um mehr als 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres verzögert, in dem die Steuern entstanden sind.

Das kann beispielsweise bei einer freiwilligen Steuererklärung geschehen, die erst sehr spät abgegeben wird, oder bei Einspruch gegen einen Steuerbescheid oder bei gerichtlicher Auseinandersetzung mit dem Finanzamt.

Hierzu ein Beispiel:

Ein Angestellter gibt seine freiwillige Steuererklärung für 2018 erst Ende 2022 ab. Der Steuerbescheid mit einer Rückzahlung kommt im Februar 2023. Der Verzinsungszeitraum beginnt nun 15 Monate nach Ablauf des Steuerjahres 2018, also mit dem April 2020. Bis zum Januar 2023 vergehen 34 Monate, in denen der Zins für die Rückerstattung anfällt und vom Finanzamt samt der Erstattung ausgezahlt wird.