
Die Ampel-Koalition versucht sich an der Aktienrente
Die gesetzliche Rente bedarf dringend einer Reformierung. Die neue Ampel-Regierung versucht sich dafür an der Aktienrente. Doch die Durchführung ist weniger konsequent als von der FDP angestoßen und reicht vielleicht nicht aus, um die Renten auf dem aktuellen Niveau zu sichern.
- Das aktuelle umlagefinanzierte Rentensystem wird durch die neue Regierung reformiert, jedoch nicht grundlegend.
- Die Erweiterung der gesetzlichen Rentenversicherung um einen aktienbasierten Teil genügt laut vieler Experten nicht zur Stabilisierung der Rente.
- Für die Förderung der privaten Altersvorsorge legt die Ampel-Koalition weitreichende Pläne vor.
Im Wahlprogramm der FDP war eine Aktienrente nach schwedischem Vorbild einer der großen Kernpunkte im Wahlprogramm der FDP. In der Ampel-Koalition einigen konnte man sich jedoch nur über Auszüge aus den Forderungen der Liberalen.
Status quo der gesetzlichen Rente wird in vielen Punkten gewahrt
Trotz Einigung auf die Einführung einer Aktienrente bleibt vieles beim Alten. So sichert die neue Regierung zu, dass es bis 2025 „keine Rentenkürzungen und keine Anhebung des gesetzlichen Renteneintrittsalters geben” wird. Das Mindestrentenniveau bleibt so bei 48 Prozent. Das Rentenniveau beschreibt das Verhältnis zwischen Rentenhöhe und dem durchschnittlichen Einkommen eines Arbeitnehmers. Nach 45 Jahren Beitragszeit, bekommen Rentner aktuell also 49 Prozent ihres durchschnittlichen Einkommens als Rente.
Auch das Renteneintrittsalter soll – trotz der steigenden Lebenserwartung – bei 67 Jahren bleiben. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rente wird nicht massiv erhöht. „In dieser Legislaturperiode steigt der Beitragssatz nicht über 20 Prozent”, sichern Rot-Grün-Gelb zu. Aktuell müssen Arbeitnehmer 18,6 Prozent ihres Einkommens für die Rente abgeben.
Was die Ampel-Koalition in Sachen Rente ändert
Zur „langfristigen Stabilisierung von Rentenniveau und Rentenbeitragssatz” will die neue Regierung in eine „teilweise Kapitaldeckung der gesetzlichen Rentenversicherung einsteigen”. Geschehen soll dies über einen dauerhaften Fonds, der global anlegt und „von einer unabhängigen öffentlich-rechtlichen Stelle professionell verwaltet” wird.
Das Geld soll allerdings – anders als bei unseren schwedischen Nachbarn – vorerst nicht von den Beitragszahlern selbst kommen. Stattdessen zahlt der Staat einmalig zehn Milliarden Euro aus Haushaltsmitteln an die Deutsche Rentenversicherung, welche das Geld wiederum in Fonds anlegt. Die Deutsche Rentenversicherung soll künftig zudem auch ihre Reserven in Fonds anlegen dürfen.
Wie diesem öffentlich-rechtlich verwalteten Fonds nach der ersten Einzahlung regelmäßig weiter Geld zufließen soll, ist mangels eine Regelung für Beitragszahlungen der Versicherten selbst aktuell nicht geklärt.
Vorbild der Aktienrente: Das Schweden-Modell
Schwedische Arbeitnehmer zahlen 16 Prozent ihres Bruttoeinkommens in das staatliche Rentensystem ein. Im Gegensatz zu den aktuellen Koalitionsplänen in Deutschland wandern zudem weitere 2,5 Prozent „zwangsweise” in einen privaten oder staatlichen Aktienfonds.
Erfolgt keine aktive Entscheidung, das Kapital in einen privaten Fonds zu stecken, wird das Geld standardmäßig im staatlichen Fonds „AP7 Såfa“ angelegt – einem der größten Pensionsfonds Europas. In den vergangen zehn Jahren schaffte der staatliche Fonds eine durchschnittliche jährliche Rendite von stattlichen 14 Prozent.
Das Rentenmodell in Norwegen ist dem schwedischen sehr ähnlich und auch in den Niederlanden und Dänemark wird auf aktienbasierte Rentenbausteine gesetzt.
Die Aktienrente – Risiken und Chancen
Durch die Anlage am Aktienmarkt ist mit Kursschwankungen, also Gewinnen und Verlusten gleichermaßen zu rechnen. Da große Pensionsfonds aber breit diversifiziert und global über sehr lange Zeiträume in Aktien anlegen, wird das Risiko stark gestreut und fällt verhältnismäßig gering aus. Von „Zocken” kann daher nicht die Rede sein, vielmehr würden Bürger vom stetigen Wachstum der Gesamtwirtschaft profitieren. Schließlich ist die Anlage am Aktienmarkt in der aktuellen Niedrigzinsphase die einzige Chance auf eine Rendite.
Auch Klaus Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband hatte die Pläne der FDP in der Vergangenheit gelobt: „Eine breit gestreute Aktien-Anlage sorgt für mehr Geld im Lebensalter.“
Viele Deutsche stehen einer Anlage in Aktien dennoch kritisch gegenüber, investieren doch auch nur etwa 18 Prozent der Deutschen aktuell in den Aktienmarkt. Deutsche Anleger sind im globalen Vergleich sehr sicherheitsbetont.
Andreas Hackethal, Professor für Finanzen an der Frankfurter Goethe-Universität, glaubt jedoch, dass sich dies ändern könnte. „Es wird einen Tipping Point geben, ab dem sich das Klischee ,Aktien sind nur was für Experten und Reiche’ umkehrt. Wenn die Hürde einmal fällt, werden generell mehr Menschen in Aktien investieren“, schätzt der Experte die Lage gegenüber dem Sender n-tv ein.
Reichen die aktuellen Pläne zur Aktienrente aus?
Experten bemängeln, dass der Aktienrente nach aktuellem Stand im Koalitionsvertrag vor allem die regelmäßigen Beitragszahlungen fehlen. Denn die zehn Milliarden des Bundes stellen eher einen Tropfen auf dem heißen Stein dar. „Nötig wäre ein Betrag im dreistelligen Milliardenbereich. Mit dessen Erträgen könnte man tatsächlich die Rente stützen, also den Beitragssatzanstieg dämpfen und das Niveau stabilisieren”, erklärte Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin im Oktober schon gegenüber der Tagesschau.
Martin Werding, Professor für Sozialpolitik und öffentliche Finanzen an der Ruhr-Universität Bochum, zeigt sich von der mangelnden Rentenreform enttäuscht: „Auf den ersten Blick ist kaum Bewegung in die Rentenpläne gekommen.”
Er hatte Anfang des Jahres im Auftrag der FDP-Bundestagsfraktion die Auswirkungen der Einführung einer Aktienrente auf das hiesige Rentensystem untersucht. Er rät dringend, zusätzlich zu den aktuellen Plänen, den Einstieg in die Aktienrente weiterzuverfolgen und Jahr für Jahr weitere Mittel auf die Seite zu schaffen und anzulegen. „Sonst bringt das Ganze nichts”, ist sich Werding gegenüber der Tagesschau sicher.
Private Altersvorsorge wird durch staatliche Angebote gestärkt
Bei der privaten Altersvorsorge hat die Ampel-Regierung hingegen mehr Mut zu Veränderungen. Hier will man laut Koalitionsvertrag das „bisherige System der privaten Altersvorsorge grundlegend reformieren”. Angedacht sind zum einen „öffentlich verantwortete Fonds” und zum anderen die „gesetzliche Anerkennung privater Anlageprodukte mit höheren Renditen als Riester”.
Vorteilhaft bei den öffentlich verantworteten Fonds wäre, dass die neue Regierung diese mit einer Abwahlmöglichkeit einführen will. Das würde dazu führen, dass Verbraucher automatisch privat vorsorgen, solange sie sich nicht aktiv entscheiden, diese Vorsorge abzuwählen. Der zweite Punkt könnte zudem bedeuten, dass zukünftig neben der Riester- und Rürup-Rente auch weitere Formen der privaten Altersvorsorge staatlich gefördert und begünstigt werden. Auch die geplante Erhöhung des Sparerpauschbetrags von 801 Euro auf 1.000 Euro weist darauf hin, dass Kapitaleinkünfte künftig aktiv gefördert werden.