
Doppelbesteuerung-Urteil: Bundesfinanzhof legt Berechnungsregeln fest
Seit Jahren stand der Vorwurf der Doppelbesteuerung von Renten im Raum, doch es fehlte ein hochrichterliches Urteil. Dieses hat der Bundesfinanzhof nun gefällt. Die Kläger selbst verloren zwar ihre Fälle – für künftige Rentengenerationen hat die Entscheidung jedoch weitreichende Konsequenzen. Für sie muss die Regierung handeln, so die Richter.
- Der Bundesfinanzhof warnt vor einer drohenden Rentendoppelbesteuerung künftiger Rentengenerationen.
- Die Richter in München fordern daher eine neue Berechnungsgrundlage für die Rentenbesteuerung.
- Demnach könnten Steuerzahler schon bald ihre Rentenbeiträge komplett von der Steuer absetzen. Geplant ist dies eigentlich erst ab 2025.
Selten stand der Bundesfinanzhof so sehr im Mittelpunkt wie Anfang dieser Woche. Denn die Richter teilten ihre Einschätzung zur Frage mit, ob bei zwei Klagen eine verfassungswidrige Doppelbesteuerung der Renten vorliegt. Die mit Spannung erwarteten Urteile wurde im Vorfeld als Grundsatzentscheidung nicht nur für die 21 Millionen Rentner in Deutschland angesehen, sondern auch für alle kommenden Rentnergenerationen. Eine leichte Nervosität war der Vorsitzenden Richterin Jutta Förster bei der Verlesung daher anzusehen.
Für die beiden Kläger ging der Prozess zwar nicht wie erhofft aus (Aktenzeichen X R 20/19 und X R 33/19BFH) – In ihren Fällen verneinten die Münchener Richter eine Rentendoppelbesteuerung. Doch für kommende Generationen dürften die aktuellen Regelungen „künftig rechnerisch in vielen Fällen nicht mehr ausreichen, um die aus versteuertem Einkommen geleisteten Teile der Rentenversicherungsbeiträge zu kompensieren“, so der Bundesfinanzhof.
Das Urteil ist vor allem für Selbstständige und Personen interessant, die aktuell Mitte oder Ende 40 sind. Förster nannte zudem Männer wegen ihrer kürzeren Lebenserwartung und Unverheiratete, die stärker als andere belastet sein könnten.
Grundfreibetrag bei Doppelbesteuerung-Berechnung außen vor
Konkret bedeutet die Entscheidung zur Doppelbesteuerung, dass die Berechnung der Rentenbesteuerung angepasst werden muss. Andernfalls besteht die Gefahr, dass spätere Rentner doppelt Steuern zahlen – einmal auf ihre Rentenbeiträge und einmal auf ihre ausgezahlte Rente.
Eine Doppelbesteuerung liegt dann vor, wenn die Summe der steuerbefreiten Rente niedriger ist als die eingezahlten steuerpflichtigen Rentenbeiträge. Wer beispielsweise dieses Jahr in Rente geht, zahlt auf 19 Prozent seiner Rente keine Steuern. Beim Renteneintritt nächstes Jahr sind es 18 Prozent. So fällt der Rentenfreibetrag schrittweise bis 2040 auf 0 Prozent.
Bei der Berechnung der steuerbefreiten Renten wird derzeit allerdings noch der Grundfreibetrag berücksichtigt. Dieser liegt 2021 bei 9.408 Euro. Wird dieser mit der restlichen Lebenserwartung multipliziert, ergibt sich schnell ein sechsstelliger Betrag, sodass die Summe der steuerbefreiten Rente größer ist als die versteuerten Beiträge.
Dieser Berechnungsweise hat der Bundesfinanzhof nun einen Riegel vorgeschoben: Der Grundfreibetrag muss bei der Berechnung außen vor bleiben. Denn dieser dient der Absicherung des Existenzminimums, so die Richter. Auch die Beiträge für die Pflege- und Krankenversicherung dürfen nicht berücksichtigt werden.
Langsamere Reduzierung des steuerfreien Anteils
Der Bund muss dem Bundesfinanzhof zufolge handeln und dafür sorgen, dass die Renten künftiger Generationen nicht doppelt besteuert werden. Dies könnte er erreichen, indem sich der steuerpflichtige Rentenanteil bis 2040 jährlich nicht um ein Prozent, sondern nur um ein halbes Prozent erhöht.
Personen, die dieses Jahr in Rente gehen, müssten so 19,5 Prozent ihrer gesetzlichen Rente nicht versteuern (statt 19 Prozent). Für Menschen, die ein Jahr später ihren Rentenbeginn haben, wären es 19 Prozent (statt 18 Prozent).
Gleichzeitig könnte die Regierung erlauben, dass bereits jetzt und nicht erst 2025 die kompletten Rentenbeiträge von der Steuer absetzbar sind. Aktuell sind es 90 Prozent der Einzahlungen in die Rentenkasse.
Dass sich was ändern muss, ist mit dem Urteil des Bundesfinanzhofes klar. Der Bund hat sich das aber erst für die Zeit nach der Bundestagswahl vorgenommen – zusammen mit einer Reform der Einkommensteuer. In der Summe könnten die Anpassungen zu Mindereinnahmen in Höhe von bis zu 90 Milliarden Euro bis 2040 führen, schätzt das Institut der deutschen Wirtschaft. Dem Haushalt fehlte so jährlich ein mittlerer einstelliger Milliardenbetrag.