
Energiegeld: Geringverdienende erhalten „volle Pauschale“
Senkung der Energiesteuer, Neun-Euro-Ticket, Energiepauschale und mehr: Ab Juni sollen die Maßnahmen aus dem zweiten Entlastungspaket greifen. Für Kritiker gehen die Ansätze nicht weit genug. Die SPD-Politikerin Dagmar Schmidt nimmt dazu Stellung. Zugleich gibt sie einen Ausblick auf die langfristigen Ziele für mehr soziale Gerechtigkeit.
Die Maßnahmen aus dem zweiten Entlastungspaket sind noch nicht alle zu 100 Prozent in trockenen Tüchern. So stimmt der Bundestag am heutigen Donnerstagabend über die Finanzierung des Neun-Euro-Tickets ab. Auch Diskussionsthemen über die Senkung der Energiesteuer für Kraftstoffe und die Energiepauschale stehen für heute auf der Agenda.
Wenn am Freitag noch der Bundesrat dem Steuerentlastungsgesetz zustimmt, kann das Gesetz in Kraft treten.
Vor allem die Energiepauschale stieß bei den Oppositionsparteien und Sozialverbänden auf Kritik. Weil diese an alle Erwerbstätigen ausgezahlt wird – also auch an Haushalte mit sehr gutem Einkommen – bemängeln sie, dass Personen mit wenig Geld am Ende doch benachteiligt sind.
Im Interview mit finanzen.de reagiert Dagmar Schmidt, die stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundesfraktion, auf die Kritik. Sie verweist auf die Besteuerung des Zuschusses, die dafür sorgt, dass am Ende vor allem Haushalte mit kleinen und mittleren Einkommen von der finanziellen Hilfe enorm profitieren.
Darüber hinaus erklärt die SPD-Bundestagsabgeordnete wodurch sich das neue Bürgergeld von dem jetzigen ALG II (Hartz IV) unterscheidet.
Frau Schmidt, wie bewerten Sie das zweite Entlastungspaket vor allem mit Blick auf die einkommensschwachen Haushalte?
Dagmar Schmidt: Mit dem zweiten Entlastungspaket entlasten wir zielgerichtet kleine und mittlere Einkommen. Mit der Energiepauschale erhalten alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, aber auch alle arbeitenden Rentnerinnen und Rentner einen Pauschalbetrag von 300 Euro – schon ein Minijob reicht aus. Die Pauschale wird mit der Steuer verrechnet, so dass Geringverdienende anders als Gutverdienende die volle Pauschale erhalten.
Alle Familien erhalten einen Familienbonus für jedes Kind in Höhe von 100 Euro und Menschen im Sozialleistungsbezug bekommen eine Einmalzahlung von 200 Euro. Wer Arbeitslosengeld I bezieht, erhält eine Einmalzahlung von 100 Euro. Auf dem Weg hin zur Kindergrundsicherung erhalten alle Familien im Bezug von Grundsicherung sowie Kinderzuschlagsberechtigte pro Kind 20 Euro monatlich.
Dazu kommen der Mindestlohn und die Rentenerhöhung, die die Einkommen deutlich steigern werden. Für einen in Vollzeit tätigen Arbeiter, der den Mindestlohn erhält, sind das im Monat rund 430 Euro mehr.
Die Linke kritisiert, dass die Energiepauschale von 300 Euro allen Erwerbstätigen unabhängig vom Einkommen zugutekommt, Sozialhilfeempfänger aber nur 100 Euro erhalten. Sie fordert eine Soforthilfe von 200 Euro für alle, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens beziehen. Finden Sie die Kritik angemessen?
Dagmar Schmidt: Die Energiepauschale kommt nicht allen Erwerbstätigen unabhängig vom Einkommen zugute. Durch die Besteuerung profitieren diejenigen mit kleinen und mittleren Einkommen stärker als hohe Einkommen.
Die volle Energiepauschale von 300 Euro erhalten nur Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die mit ihrem zu versteuernden Einkommen unterhalb des Steuerfreibetrags von rund 10.000 Euro liegen. Oberhalb dieses Betrags schmilzt die Energiepauschale Stück für Stück ab.
Menschen in der Grundsicherung haben die gestiegenen Heizkosten generell nicht zu tragen, da diese im Rahmen der Kosten der Unterkunft übernommen werden.
Die Maßnahmen zur Entlastung der Bürger aufgrund drastisch gestiegener Energiekosten sind zeitlich begrenzt. Was muss in Ihren Augen passieren, damit einkommensschwache Personen langfristig entlastet werden?
Dagmar Schmidt: Wir müssen zielgerichtet entlasten. Mit der Abschaffung der EEG-Umlage haben wir eine zeitlich unbefristete Entlastung bereits beschlossen. Wir prüfen derzeit, ob ein drittes Entlastungspaket notwendig ist.
Wir wollen aber zielgerichtet Menschen mit kleinen Einkommen unterstützen und nicht Geld mit der Gießkanne verteilen. Im Koalitionsvertrag haben wir deshalb vereinbart, ein Klimageld einzuführen, das wir sozial ausgestalten werden. Das Klimageld ist an den CO2-Preis gekoppelt. Wenn der CO2-Preis steigt, bekommen die Bürgerinnen und Bürger das durch ein höheres Klimageld zurück. Familien und Menschen mit geringen Einkommen haben so unter dem Strich mehr in der Tasche.
Die SPD plant die Einführung des Bürgergelds. Steht das Projekt nun auf der Kippe, da der Staat mit verschiedenen finanzschweren Maßnahmen auf die Folgen des Krieges in der Ukraine reagiert?
Dagmar Schmidt: Die Pandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine oder der Klimawandel: Große Krisen stellen uns alle vor große Herausforderungen, die wir bestmöglich bewältigen müssen. Dabei ist unser Anspruch, dass es innere und äußere Sicherheit nur mit sozialer Sicherheit geben kann. Deshalb verlieren wir unsere Kernaufgaben nicht aus den Augen. Es geht darum, dass wir für Respekt und Sicherheit sorgen – auf dem Arbeitsmarkt, aber auch in unserem Land insgesamt.
Die Bürgerinnen und Bürger verlangen zu Recht, dass wir ihnen auch Antworten auf die langfristigen Herausforderungen in unserem Land geben – jenseits von Krieg und Corona arbeiten wir weiter für ein gutes Leben im Alter, an der Gestaltung der Arbeit von morgen und einem vorsorgenden und krisenfesten Gesundheitssystem. Bundeskanzler Olaf Scholz hat deshalb bereits zugesichert, dass alle Projekte wie im Koalitionsvertrag vereinbart umgesetzt werden. Dazu zählt auch das Bürgergeld.
Was ist Ihrer Meinung nach der größte Unterschied zum Arbeitslosengeld II?
Dagmar Schmidt: Alle Menschen müssen sich auf den Sozialstaat verlassen können, wenn sie ihn brauchen. Unser Bürgergeld steht für ein neues Verständnis eines haltgebenden und bürgernahen Sozialstaats. Das neue Bürgergeld ist aus der Perspektive der Menschen gedacht, die den Sozialstaat brauchen: mehr Verständnis und Respekt, eine bessere Beratung und Betreuung.
Das Bürgergeld stellt die Potenziale der Menschen und Hilfen zur nachhaltigen Integration in den Arbeitsmarkt in den Mittelpunkt und ermöglicht gesellschaftliche Teilhabe. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen verändern wir so, dass künftig eine Beratung auf Augenhöhe möglich ist und eine Vertrauensbeziehung entstehen kann. Die Eingliederungsvereinbarung wird durch eine Teilhabevereinbarung ersetzt, die den individuellen Bedürfnissen von jedem und jeder einzelnen Rechnung trägt. Bei ihrer Umsetzung setzen wir auf Befähigung und Bestärkung und nicht auf Vorgaben und Zwang. Zudem schaffen wir den Vermittlungsvorrang in Arbeit ab und setzen stattdessen auf Ausbildung und Qualifizierung.
Aber auch in anderen Bereichen werden wir das System gründlich reformieren: Wir wollen, dass niemand mehr Angst haben muss, sein Haus zu verlieren, aus seiner Wohnung ausziehen oder sein hart Erspartes aufwenden zu müssen. Mit dem Bürgergeld wird Vermögen die ersten beiden Jahre überhaupt nicht angerechnet und danach wird das Schonvermögen deutlich erhöht. Damit man wieder gut in eine neue Arbeit starten kann.
Vielen Dank für das Interview, Frau Schmidt.