Mann steht mit Bankkarte vor Automat
Anja Schlicht

Redaktionsleitung

EZB erhöht Leitzins auf 0,5 %: Gut fürs Konto, schlecht für Hausbau

Die Europäische Zentralbank (EZB) hat es endlich getan: Erstmals seit elf Jahren hat sie am Nachmittag eine Leitzinserhöhung von 0 auf 0,5 Prozent umgesetzt. Ziel ist es vor allem, die hohe Inflation zu bekämpfen. Während dies allen Bürgern der Europäischen Union zugutekommt, sind die Folgen für Sparer und Kreditnehmer äußerst gegensätzlich.

  • Der Leitzins der EZB steigt auf 0,5 Prozent, eine weitere Erhöhung ist für September angekündigt.
  • Hintergrund ist die hohe Inflation in der Eurozone.
  • Während die Leitzinserhöhung für Sparer und Versicherungsnehmer eine gute Nachricht ist, haben Kreditnehmer das Nachsehen.

Sehr viele Jahre konnten sich die Banken umsonst Geld bei der Europäischen Zentralbank leihen. Denn der Leitzins betrug 0 Prozent. Nun läutet die EZB das Ende der Nullzinspolitik ein. Ziel der Leitzinserhöhung zum 27. Juli 2022 ist es, die sehr hohe Inflation im Euroraum zu bekämpfen. Im Juni lag sie bei 8,6 Prozent, wobei manche Mitgliedsstaaten mit einer Inflation von über 20 Prozent kämpfen.

Für viele Experten kommt der Schritt sehr spät. Bei der US-Notenbank Federal Reserve liegt der Leitzins beispielsweise bei bis zu 1,75 Prozent. Die EZB hat für das Zögern jedoch ihre Gründe.

Leitzinserhöhung auf 0,5 Prozent: Teurere Kredite für Verbraucher und Staaten

Verlangt die EZB Zinsen für das Leihen von Geld, ist davon auszugehen, dass die Banken diese Gebühren an ihre Kunden weitergeben. Kredite werden teurer, sodass Verbraucher und Unternehmen von größeren Anschaffungen absehen. Die Nachfrage nach Waren und Dienstleistungen nimmt ab, sodass die Anbieter ihre Preise senken müssen, um die Nachfrage wieder anzukurbeln.

Die Leitzinserhöhung und die damit verbundenen höheren Kreditzinsen sollen also der Preissteigerung entgegenwirken. Derzeit ist die Inflation mehr als viermal so hoch wie von der EZB angestrebt. Der Handlungsbedarf war daher immens. Allerdings versucht die Zentralbank mit Bedacht vorzugehen. Denn nicht nur Verbraucherkredite werden teurer. Der höhere Zins setzt auch verschuldete EU-Staaten unter Druck, vor allem die südlichen Mitgliedsstaaten. Hier muss die EZB einen Weg finden, damit die Länder nicht in die Staatspleite rutschen.

Höhere Zinsen für die Immobilienfinanzierung

Für Verbraucher verteuern sich mit der Leitzinserhöhung nicht nur kleinere Kredite. Vor allem Personen, die den Bau oder Kauf einer Immobilie mithilfe eines Darlehens planen, müssen dafür bereits jetzt mehr Geld aufwenden. Zwischen Januar und Juni sind die Bauzinsen so stark wie seit zehn Jahren nicht mehr angestiegen. Das stellt auch ein Problem für Hausbesitzer dar, deren Zinsbindung nun ausläuft und die sich um eine Anschlussfinanzierung kümmern müssen.

Höhere Zinsen für Sparanlagen

Während Kreditnehmer zu den Verlierern der Leitzinserhöhung zählen, können Sparer von ihr profitieren. Denn es ist zu erwarten, dass die Zinsen auf Tages- und Festgeld langsam wieder steigen. Zum Vergleich: Beim Festgeld mit zwei Jahren Laufzeit liegt die Verzinsung aktuell bei über einem Prozent, vor vier Monaten waren es noch unter 0,5 Prozent. Doch auch wenn hier eine positive Entwicklung zu sehen ist, machen Sparer aufgrund der hohen Inflation weiterhin Verluste mit ihren Sparanlagen.

Jörg Asmussen vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft weist gegenüber dem MDR auf eine weitere Folge der Leitzinsanpassung hin: Bei Versicherungen für die Altersvorsorge und Co. könnte sich die Überschussbeteiligung für Versicherte erhöhen. Denn wenn der Leitzins steigt, werden festverzinsliche Anlagen, in denen die Versicherer investieren, besser verzinst.

Ende der Negativzinsen absehbar

Mit der Anpassung des Leitzinses könnte auch bald das Verwahrentgelt der Vergangenheit angehören. Denn auch die sogenannte Einlagefazilität wird um 0,5 Prozent angehoben, sodass sie nun bei 0 Prozent liegt. Banken, die Geld bei der EZB über einen gewissen Freibetrag einlagern, müssen daher keine Gebühren zahlen.

Da viele Banken ihre Minuszinsen mit genau diesem Zins rechtfertigen, fehlt ihnen nun die Grundlage. Einige Geldinstitute hatten bereits damit begonnen, ihre Negativzinsen zu streichen oder die Grenze für Einlagen zu erhöhen, ab der das Verwahrentgelt berechnet wird.