Mieter sind Eigenbedarfskündigungen nicht schutzlos ausgeliefert
Kündigungen vonseiten des Vermieters wegen Eigenbedarf sind zwar noch kein Massenphänomen. Doch angesichts steigender Mieten in beliebten Städten wie Bremen, Berlin, München und Hamburg sollten sich Mieter genauer mit ihren Rechten bei Kündigungen aus Eigenbedarf befassen. finanzen.de hat daher mit dem Bremer Mieterschutzbund gesprochen, wann Mieter sich zur Wehr setzen können.
Veröffentlicht am 4. Mai 2017
In immer mehr Großstädten steigen die Quadratmeterpreise für Mietwohnungen. Wer schon lange in seiner Wohnung lebt und nur wenig dafür zahlt, kann sich daher glücklich schätzen. Doch gerade diese Mieter sind manch einem Vermieter lästig. Schließlich könnten sie die Wohnung viel teurer vermieten. Mieterschutz wird in Deutschland zwar großgeschrieben. Kündigt der Vermieter jedoch Eigenbedarf an, müssen die Mieter in den meisten Fällen ausziehen. Welche das sind und wie Mieter herausfinden, ob eine Eigenbedarfskündigung rechtmäßig ist, verrät Rechtsanwalt Gert Brauer vom Mieterschutzbund Bremen im Interview.
Herr Brauer, wie häufig greifen Vermieter in die Trickkiste und kündigen ihren Mietern aufgrund von Eigenbedarf, um sie loszuwerden?
Herr Brauer: In Bremen sprechen wir bei vorgetäuschten Eigenbedarfskündigungen aktuell nicht von einem Massenphänomen. Wir beobachten jedoch einen Anstieg solcher Fälle immer dann, wenn ganze Mehrfamilienhäuser verkauft werden. Wir haben es beispielsweise schon erlebt, dass drei Parteien aus einem Haus mit neuem Eigentümer zu uns kamen, weil sie alle ein identisches Kündigungsschreiben erhalten haben. Der Grund der Kündigungen war in jedem der drei Schreiben gleich: Eigenbedarf für die pflegebedürftige Mutter. Da der Hausbesitzer nur eine Mutter haben kann, ist klar, dass die Eigenbedarfskündigung nur ein Trick ist, um sich von den Mietern zu verabschieden.
Da wir es immer mal wieder mit Kündigungen aus Eigenbedarf zu tun haben, bei denen wir unsicher sind, ob sie nur vorgetäuscht sind, prüfen wir genau nach, ob der Bedarf echt ist. Kommen unsere Mitglieder mit einem Kündigungsschreiben ihres Vermieters auf uns zu, checken wir auch, ob der Eigenbedarf überhaupt gerechtfertigt ist. Denn Vermieter haben kein uneingeschränktes Recht darauf, ihren Mietern aus Eigenbedarf zu kündigen.
In welchen Fällen ist eine Kündigung aus Eigenbedarf denn möglich und in welchen nicht?
Herr Brauer: Eine Eigenbedarfskündigung ist nur möglich, wenn der Eigentümer glaubhaft machen kann, dass er den Wohnraum wirklich für sich oder seine Angehörigen benötigt. Wenn der Mieter den Verdacht hat, dass der Grund nur vorgeschoben ist, steht der Eigentümer in der Beweispflicht.
Ist ein Auszug für den Betroffenen mit enormen Problemen oder Einschränkungen verbunden, kann er sich auf die sogenannte Sozialklausel berufen. Hochschwangere Frauen, für die ein Umzug unmöglich ist, oder ältere Menschen, denen ein Umzug aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zuzumuten ist, können sich etwa gegen eine Kündigung wegen Eigenbedarf wehren.
Wie sollten Mieter vorgehen, die eine Kündigung wegen Eigenbedarf erhalten haben?
Herr Brauer: Wir raten den Mietern vorerst ruhig zu bleiben. Sie können sich auch mit anderen Parteien im Haus in Verbindung setzen und fragen, ob auch dort ein Kündigungsschreiben eingegangen ist. Als Gemeinschaft aufzutreten ist immer besser als allein.
Betroffene sollten sich als Gruppe oder allein bei ihrem Mieterschutzbund melden. Dort sitzen Fachkräfte, die genau einschätzen können, ob es sich um eine rechtmäßige oder unrechtmäßige Kündigung handelt. Im Gespräch können die Mieter auch jeden Zweifel und Verdacht besprechen. Dann wird gemeinsam über die Möglichkeiten und rechtlichen Schritte beraten.
Haben Sie einen Fall, der Ihnen im Laufe der Jahre in Erinnerung geblieben ist?
Herr Brauer: Ja, mir ist ein glücklicherweise sehr mieterfreundliches Beispiel im Gedächtnis geblieben. Vor etwa sieben Jahren kam eine Bremer Familie zu uns, deren Vermieter sie wegen Eigenbedarf aus der Wohnung haben wollte. Der Eigentümer schob als Grund seine angeblich pflegebedürftigen Eltern vor. Da die betroffene Familie aber nicht nur ihren Vermieter, sondern auch seine Eltern kannte, wusste sie, dass es um die Gesundheit der Eltern recht gut bestellt war. Die Familie ist dann mit unserer Unterstützung vor Gereicht gegangen – Sechs Jahre hat der Prozess gedauert. Doch in dieser Zeit musste die Familie nicht ausziehen. Die Familie hat den Rechtsstreit letztendlich gewonnen und lebt bis heute in ihrer Bremer Wohnung.
Vielen Dank für das Interview, Herr Brauer.
Das Interview führte Cora Christine Döhn.