
Pflegeversicherung: Kinderreiche Familien verdienen mehr Entlastung
Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschied am Mittwoch, dass der Gesetzgeber bei der Berechnung des Beitrages zur gesetzlichen Pflegeversicherung die Anzahl der Kinder berücksichtigen muss. Familien mit vielen Kindern leisten einen wichtigen Beitrag zum Funktionieren der Sozialversicherungen. Deshalb sollen sie bei den Kosten entlastet werden.
- Kinderreiche Familien sollen bei den Kosten zur Pflegeversicherung stärker entlastet werden.
- Die Regierungskoalition hat bis Ende Juli 2023 Zeit, die Beitragszahlung neu zu regeln.
- Bei Renten- und Krankenkassenbeiträgen spielt der Nachwuchs weiterhin keine Rolle.
Für Familien mit vielen Kindern sollen künftig die Beiträge zur gesetzlichen Pflegeversicherung sinken. Die Beiträge sollen entsprechend der Anzahl der Kinder gestaffelt werden. Schon Familien mit zwei Kindern zahlen demnach einen geringeren Beitrag als Eltern mit nur einem Kind. Diese Entscheidung (1 BvL 3/18, 1 BvR 717/16 u.a. Beschluss vom 7. April 2022) veröffentlichte das Bundesverfassungsgericht am letzten Mittwoch.
Die Richter begründen die geforderte Anpassung der Beitragsberechnung an die Anzahl der Kinder wie folgt: Eine Familie mit vier oder fünf Kindern hat einen größeren Aufwand an Betreuung zu stemmen und auch höhere Kosten als eine dreiköpfige Familie.
Ampel-Regierung will Finanzierung der Pflegeversicherung prüfen
Bis Ende Juli 2023 haben die Gesetzgeber Zeit, um die Änderung der Beitragsberechnung umzusetzen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) erklärte gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND), die Änderung in dieser vorgegebenen Frist umzusetzen. Zugleich wies er darauf hin, dass die Pflegeversicherung grundsätzlich solider finanziert werden müsse.
Ähnlich sieht es auch Lukas Köhler, der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP im Bundestag. Laut Bericht der BILD-Zeitung kündigte er an, die Ampel werde sich die „gesamte Finanzierung der Pflege anschauen. Das System muss auch in Zukunft bei steigenden Ausgaben finanzierbar sein.“
Bereits jetzt zahlen Eltern weniger in die Pflegeversicherung ein
Schon 2001 hatten die Karlsruher Richter geurteilt, dass Eltern weniger in die gesetzliche Pflegeversicherung einzahlen müssen als Kinderlose. Denn nach Ansicht der Verfassungsrichter ist es nicht mit dem Grundgesetz vereinbar, dass Eltern einen genauso hohen Beitrag zahlen wie Kinderlose. Immerhin sorgen sie durch die Kinder dafür, dass das umlagefinanzierte Sozialversicherungssystem funktioniert.
Zurzeit zahlt ein Arbeitnehmer mit Kind(ern) rund 1,5 Prozent seines Bruttolohnes in die gesetzliche Pflegeversicherung ein. Bei einem Bruttolohn von 3.500 Euro im Monat sind dies rund 53 Euro monatlich. Zum Vergleich: Angestellte ohne Kinder zahlen hingegen rund 1,7 Prozent (rund 60 Euro bei 3.500 Euro Bruttogehalt).
Weiterhin keine Entlastung bei Renten- und Krankenversicherung
Der Kinderreichtum spielt jedoch nur bei der gesetzlichen Pflegeversicherung eine Rolle. Laut vorangegangenen Gerichtsurteilen trifft dies nicht auf die gesetzliche Krankenversicherung und auch nicht auf die Rentenversicherung zu. In diesen beiden Sozialversicherungen erhalten Familien anderweitig eine Entlastung, so dass es in diesem Fall keine Unterschiede zwischen Familien und Kinderlosen bei der Beitragsberechnung gibt. So profitieren gesetzlich Versicherte unter anderem von der Familienversicherung in der gesetzlichen Krankenkasse oder von der Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung.
Zum Hintergrund der Karlsruher Entscheidung: Geklagt hatten drei Familien aus Baden-Württemberg. Sie setzen sich dafür ein, dass Eltern weniger hohe Sozialabgaben zahlen müssen als Menschen ohne Kinder. Schließlich sorgen sie einerseits aufgrund des Nachwuchses dafür, dass das System der Sozialversicherung funktionier. Andererseits haben sie mit jedem Kind höhere Ausgaben. Der Deutsche Familienverband und der Familienbund der Katholiken unterstützt dieses Anliegen.