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Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Renten-Doppelbesteuerung: Wie wird der Bundesfinanzhof urteilen?

Vor mehr als 15 Jahren wurde die nachgelagerte Besteuerung eingeführt. Fast ebenso lang bestehen Zweifel daran, ob die Rentenbesteuerung seitdem verfassungskonform ist. Kritiker sehen eine klare Doppelbesteuerung. Klärung könnte der Bundesfinanzhof schaffen. Doch eine Entscheidung wurde erneut aufgeschoben.

Veröffentlicht am 25. Januar 2021

  • 2021 könnte ein sehr wichtiges Jahr für Steuerzahler werden.
  • Denn vom Bundesfinanzhof wird ein wegweisendes Urteil zur Doppelbesteuerung der Renten erwartet.
  • Die Chancen auf eine verbraucherfreundliche Rechtsprechung stehen nicht schlecht.

Update 31. Mai 2021: Der Bundesfinanzhof ist zu einer Entscheidung bekommen. In den beiden Fällen sehen die Richter zwar keine Doppelbesteuerung vorliegen. Allerdings gehen sie davon aus, dass vor allem die kommenden Generationen davon betroffen sein könnten. Bei ihnen sei die Entlastung während der Zeit der Beitragszahlung geringer als Rentenbesteuerung, so die Warnung. Es bestehe demnach Handlungsbedarf beim Gesetzgeber. Für die Berechnung einer möglichen Doppelbesteuerung legte der Bundesfinanzhof zudem eine Formel vor. So dürfe unter anderem der Grundfreibetrag nicht berücksichtigt werden.

Die sogenannte Doppelsteuerung stellt für viele Rentner und künftige Senioren ein großes und teures Ärgernis dar. Je nach individueller Situation entgehen Betroffenen mehrere tausend Euro, die das Finanzamt aus ihrer Sicht zu Unrecht kassiert. Dazu kommt es, weil der Fiskus Steuern auf die gesetzliche Rente erhebt, obwohl Steuerzahler die Beiträge dazu bereits aus ihrem versteuerten Einkommen gezahlt haben.

Obwohl unter Kritikern klar ist, dass die Doppelbesteuerung verfassungswidrig ist und daher abgeschafft werden muss, fehlt bislang ein höchstrichterliches Urteil. Daher blicken viele Verbraucher seit November vergangenen Jahres sehnsüchtig nach München. Der dort ansässige Bundesfinanzhof (BFH) wollte bereits damals eine Entscheidung zu zwei Klagen fällen (Az.: X R 20/19 und Az.: X R 33/19). Nun soll es  Ende Mai 2021 so weit sein, berichtet Merkur Online.

Richter sieht klare Doppelbesteuerung

Auch wenn Rentner weiter Geduld aufbringen müssen, könnte sich diese am Ende auszahlen. Denn der für die Entscheidung zuständige BFH-Richter Dr. Egmont Kulosa hat sich in der Vergangenheit zur Doppelbesteuerung wie folgt geäußert:

„Es bedarf keiner komplizierten mathematischen Übungen, um bei Angehörigen der heute mittleren Generation, die um das Jahr 2040 in den Rentenbezug eintreten werden, eine Zweifachbesteuerung nachzuweisen. Denn diese Personen werden ihre Rentenbezüge in vollem Umfang versteuern müssen, können ihre Beiträge aber nur 15 Jahre lang – von 2025 bis 2039, und auch dann nur bis zum Höchstbetrag des Absatz 3 – ohne prozentuale Beschränkung abziehen“, erläutert Kulosa in einem Beitrag für einen juristischen Fachdienst.

Wie werden Renten besteuert?

Bis 2004 galt in Deutschland das Prinzip der vorgelagerten Besteuerung. Der Rentenbeitrag wurde aus dem versteuerten Einkommen gezahlt, im Gegenzug blieben die Renten steuerfrei. 2005 änderte sich dies, es gilt nun die nachgelagerte Besteuerung. Renten sind seitdem mindestens zu 50 Prozent steuerpflichtig. Dafür können die Rentenbeiträge von der Steuer abgesetzt werden. 2021 sind diese zu 92 Prozent absetzbar, 2025 zu 100 Prozent.

Wie viel Prozent der Rente versteuert werden muss, hängt vom Jahr des Renteneintritts ab. 2021 sind 81 Prozent der Auszahlung steuerpflichtig. Der Anteil steigt bis 2040 auf 100 Prozent.

Durch die Umstellung der Rentenbesteuerung kann es nun vorkommen, dass Rentner ihre Rente erneut versteuern müssen, obwohl der Beitrag dafür bereits aus ihrem versteuerten Einkommen floss. Wer beispielsweise 2040 in Rente geht, muss die Rente voll versteuern. Die Rentenbeiträge dafür konnte er allerdings erst seit 2025 voll absetzen. Davor zahlte er auf einen Teil der Beiträge Steuern.

Wann werden Renten doppelt besteuert?

Im Kern geht es bei der Doppelbesteuerung der Renten darum, dass Rentner mindestens so viel Rente steuerfrei erhalten, wie sie in Form ihrer Beiträge steuerpflichtig eingezahlt haben. Ist dies nicht der Fall, liegt eine Doppelbesteuerung vor.

Für jede Person lässt sich gut ausrechnen, wie hoch der Anteil der Rentenbeiträge ist, der aus dem versteuerten Einkommen geleistet wurde. Auskunft dazu gibt der jährliche Finanzbescheid. Ebenso lässt sich ausrechnen, wie hoch der Anteil der steuerfreien Rente ist. Der sogenannte Rentenfreibetrag, der vom Renteneintrittsalter abhängt, wird mit der Summe an Jahren multipliziert, die sich aus der statistischen Lebenserwartung ergibt.

Ein Beispiel dazu:

Bei Renteneintritt 2020 bleiben 20 Prozent der Rente steuerfrei. Liegt diese bei 20.000 Euro, sind dies 4.000 Euro. Diese werden mit 17 Jahren multipliziert, denn so hoch ist die Lebenserwartung ab Renteneintritt. Somit beträgt die Summe der steuerfreien Rente 68.000 Euro. Haben Rentner jedoch mehr Beiträge aus ihrem versteuerten Einkommen gezahlt, liegt eine Doppelbesteuerung vor.

Streit über Berechnung der steuerfreien Rente

Bei der Berechnung der steuerfreien Rente gibt es jedoch unterschiedliche Auffassungen, welche Posten dazuzählen. Das Bundesfinanzministerium berücksichtigt nicht nur den Rentenfreibetrag, sondern auch den Grundfreibetrag. Auch die Tatsache, dass Senioren ihre Pflege- und Krankenversicherungsbeiträge steuerlich absetzen können, wird beachtet. So ergibt sich für das Ministerium eine weitaus höhere steuerfreie Summe, sodass es so gut wie nie zu einer Doppelbesteuerung käme.

Während die Auslegung des Finanzministeriums großzügig ist, zählt Dr. Kulosa lediglich noch die Werbungskostenpauschale zum Rentenfreibetrag hinzu. Der steuerfreie Betrag erhöht sich dadurch nur unerheblich.

Zu klären bleibt nun vom Bundesfinanzhof, welche Kriterien zur steuerfreien Rente hinzugezählt werden dürfen und ob in den beiden Fällen eine Doppelbesteuerung vorliegt.