Gestresster Mann
Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Müssen sich Selbstständige ab 2024 gesetzlich rentenversichern?

Seit Jahren geistert die Vorsorgepflicht für Selbstständige durch die deutsche Politik. Nun könnte diese einen Schritt nach vorne gemacht haben: Einem Eckpunktepapier aus dem Bundesarbeitsministerium zufolge soll die Pflicht ab 2024 für alle Selbstständigen unter 35 Jahren gelten. Für Kritiker kommt der Entwurf zu einem äußerst schlechten Zeitpunkt.

Veröffentlicht am 9. Dezember 2020

  • Arbeitsminister Hubertus Heil will noch vor der Bundestagswahl ein Gesetz zur Vorsorgepflicht für Selbstständige auf den Weg bringen.
  • Dieses könnte dazu führen, dass alle Selbstständigen in die Rentenkasse einzahlen müssen.
  • Dabei wird Kritik an fehlenden Alternativen und am ungünstigen Timing für den Vorstoß laut.

Schon mehrere Male musste Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) seine Pläne für die Altersvorsorgepflicht für Selbstständige und Freiberufler verschieben. Zuletzt führten die langen Verhandlungen zur Grundrente dazu, dass Heil seinen Gesetzentwurf erst Ende des Jahres vorlegen wollte. Doch dann kam die Corona-Pandemie und mit ihr weitere Verzögerungen. Auf der Bundesvertreterversammlung der Deutschen Rentenversicherung kündigte der Minister Anfang Dezember an, dass nun mit Hochdruck daran gearbeitet werde, Selbstständige in das System der Alterssicherung einzubeziehen.

Wie genau das aussehen könnte, zeigt ein aktuelles Eckpunktepapier aus dem Arbeitsministerium, das unter anderem dem Versicherungsjournal vorliegt.

Vorsorgepflicht ab 2024?

Den Plänen zufolge würde die Vorsorgepflicht ab 2024 kommen und dabei nicht nur alle künftigen Selbstständigen einbeziehen. Auch alle bis dahin nicht versicherungspflichtigen haupt- und nebenberuflich selbstständig Arbeitenden unter 35 Jahren sollen einen Pflichtbeitrag in die gesetzliche Rentenversicherung zahlen. Alternativ sieht der Entwurf den Abschluss eines Vertrags vor, der das gleiche Leistungsspektrum abdeckt, also einen Versicherungsschutz im Alter, für Hinterbliebene und bei Erwerbsminderung.

Da dieses Absicherungspaket bisher jedoch nur die gesetzliche Rentenversicherung bietet, kämen die derzeitigen Vorstellungen von Arbeitsminister Heil einer „verkappten Pflicht“ zur gesetzlichen Rente gleich, kritisiert der CDU-Wirtschaftsrat. „Die Kriterien dürfen unter keinen Umständen so eng gefasst sein, dass Selbständige de facto in die gesetzliche Rentenversicherung gezwungen werden“, warnt dessen Generalsekretär Wolfgang Steiger in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ).

Auch beim Handelsverband HDE und bei der FDP stoßen die Rahmenbedingungen auf Kritik. Beide fordern eine Wahlfreiheit für Selbstständige. So betont der rentenpolitische Sprecher der FDP, Johannes Vogel, in der FAZ, dass Selbständige die Art und Weise ihrer Vorsorge selbst bestimmen sollten.

Viele Selbstständige kämpfen in der Corona-Pandemie um Existenz

Neben der Gefahr, dass Selbstständigen keine wirkliche Alternative zur Absicherung in der gesetzlichen Rentenversicherung geboten wird, ist es vor allem der Zeitpunkt des Vorstoßes, den Kritiker bemängeln. „Viele Solo-Selbstständige kämpfen gerade ums wirtschaftliche Überleben. Deshalb kann die Altersvorsorgepflicht erst in ein paar Jahren in Kraft treten“, erläutert der CDU-Sozialpolitiker Peter Weiß gegenüber der FAZ.

Er fordert zudem, dass im Rahmen der Verhandlungen gleichzeitig die Reform der Riester-Rente geklärt werden müsse. Wenn das Thema Rente bis zu Bundestagswahl noch einmal angepackt wird, solle alles auf den Tisch, so Weiß.

Bei der Riester-Rente gibt es derzeit eine Reihe von Vorschlägen, wie diese wieder attraktiver gestaltet werden könnte. Im Koalitionsvertrag haben sich Union und SPD darauf verständigt, die geförderte Altersvorsorge in dieser Legislaturperiode zu reformieren. Allerdings läuft den Politikern nun wie bei der Vorsorgepflicht für Selbstständige allmählich die Zeit davon.