
Bund bewahrt Pflegekassen mit Finanzspritze vor Zahlungsunfähigkeit
Der Bund muss der gesetzlichen Pflegeversicherung aushelfen und zeitnah eine Milliarde Euro an sie überweisen. Andernfalls droht den Pflegekassen die Zahlungsunfähigkeit. Schuld daran hat die Corona-Pandemie, so das Gesundheitsministerium. Andere sehen dagegen ein grundlegendes Finanzierungsproblem, vor dem die neue Bundesregierung steht.
Veröffentlicht am 27. September 2021
- Die Pflegekassen haben wegen der Corona-Pandemie deutlich mehr Ausgaben verzeichnet.
- Aktuell steuert die gesetzliche Pflegeversicherung auf eine drohende Zahlungsunfähigkeit zu.
- Der Bund unterstützt die Kassen kurzfristig mit einem Steuerzuschuss. Langfristig muss die Finanzierung jedoch grundlegend stabilisiert werden.
Mit dem Jahreswechsel tritt eine kleine Pflegereform in Kraft, mit der unter anderem der Eigenanteil Pflegebedürftiger an den Pflegekosten im Heim gedeckelt wird. Zudem wird der gesetzlichen Pflegeversicherung ab dann ein regelmäßiger Bundeszuschuss von einer Milliarde Euro gezahlt, um die Mehrausgaben zu finanzieren. Zusätzlich steigt der Pflegebeitrag für Kinderlose von 3,3 Prozent auf 3,4 Prozent.
Die Mehreinnahmen werden jedoch kaum ausreichen, um die neuen Leistungen zu finanzieren. So warnt der Sozialverband VdK vor einer mangelnden Gegenfinanzierung: Im ersten Jahr stünden 3,14 Milliarden Euro Mehrkosten nur zusätzliche Einnahmen von 1,4 Milliarden Euro gegenüber.
Dabei kämpft die gesetzliche Pflegeversicherung schon jetzt mit Zahlungsproblemen. „Unvorhergesehene pandemiebedingte Mehrausgaben“ setzen die Pflegekassen derart unter Druck, dass der Bund kurzfristig mit einer Milliarde Euro aushelfen muss, so das Finanzministerium. Ziel ist es, den Beitragssatz stabil zu halten, berichtet die Nachrichtenagentur dpa.
Pflegekassen stehen vor Finanzierungsproblem
Über die Finanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung wurde zuletzt immer häufiger debattiert. So fordert beispielsweise die Deutsche Stiftung Patientenschutz einen regelmäßigen Steuerzuschuss, wie ihn alle anderen Sozialversicherungen bekommen. „Die Pflegeversicherung allein über Mitgliedsbeiträge zu bezahlen, muss sofort ein Ende haben“, erläutert deren Vorstand Eugen Brysch gegenüber der dpa.
Der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen kritisiert derweil, dass der Not-Zuschuss von einer Milliarde Euro nicht ausreichen wird. Notwendig wären 1,6 Milliarden Euro, damit die gesetzlich vorgeschriebene Mindestreserve von 1,5 Monatsausgaben nicht unterschritten wird. Im schlimmsten Fall droht die „Gefahr, dass es bei einzelnen Pflegekassen im November zu Liquiditätsproblemen kommen wird“, teilt der Verband dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) mit. Laut dem Verband belaufen sich die pandemiebedingten Mehrausgaben auf fünf Milliarden Euro. Entsprechend „sachgerecht wäre ein erhöhter Zahlbetrag“.
Kommt nun die Bürgerversicherung für die Pflege- und Krankenkassen?
Für die Pflegeexpertin der Grünen, Kordula Schulz-Asche, steht die gesetzliche Pflegeversicherung vor einem tiefgreifenden Finanzierungsproblem. Bisher habe es die Bundesregierung versäumt, die Finanzierung stabil und gerecht aufzustellen, sagt sie gegenüber RND. Die Politikerin plädiert für eine Pflege-Bürgerversicherung, in die jeder einzahlen muss.
Angesichts des Wahlergebnisses der Bundestagswahl könnte solch eine Bürgerversicherung für die Grünen in greifbare Nähe rutschen. Auch die SPD setzt sich dafür ein. Sollte sich eine Koalition aus SPD und Grünen ergeben, haben die Parteien die Möglichkeit das Finanzierungsproblem der gesetzlichen Pflegeversicherung anzugehen. Auch für die gesetzliche Krankenversicherung könnte die Bürgerversicherung damit näher rücken.