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Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Vorfälligkeitsentschädigung: Keine Zahlung bei unklarer Berechnung

Jährlich werden mehr als sieben Millionen Kreditverträge abgeschlossen. Wird das Darlehen frühzeitig zurückgezahlt, erhebt die Bank eine sogenannte Vorfälligkeitsentschädigung. Hier gelten gewisse Informationspflichten, denen Kreditgeber nicht immer nachkommen. Wie der Bundesgerichtshof aktuell bestätigt, müssen Verbraucher die Gebühren dann nicht zahlen.

Veröffentlicht am 13. Juli 2021

  • Sind die Erläuterungen zur Vorfälligkeitsentschädigung nicht klar und transparent, fehlt den Banken die rechtliche Grundlage, um die Gebühren zu verlangen.
  • Der Bundesgerichtshof (BGH) hat Verbrauchern aktuell diesbezüglich den Rücken gestärkt.
  • Experten zufolge hat die BGH-Entscheidung Bedeutung für rund 1,5 Millionen Kreditnehmer.

Geldinstitute erheben in der Regel eine Vorfälligkeitsentschädigung, wenn ihre Kunden ihren Kredit vor Ende der Laufzeit zurückzahlen. Damit lassen sie sich für die entgangenen Zinsgewinne entschädigen, die sie sonst während der Vertragslaufzeit erhalten hätten.

So war es auch in einem Fall bei der Commerzbank. Sie verlangte für die Rückzahlung zweier Darlehen in Höhe von rund 245.000 Euro und 50.000 Euro Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von circa 21.500 Euro. Diese wurden von den Kreditnehmern zwar unter Vorbehalt gezahlt. Sie waren jedoch der Ansicht, dass die Erläuterungen in den Vertragsbedingungen zur Vorfälligkeitsentschädigung intransparent und widersprüchlich waren. Also zogen sie vor Gericht.

Gericht: Berechnungen für Vorfälligkeitsentschädigung unzureichend erklärt

Nachdem das Landgericht Frankfurt am Main die Klage zunächst abgewiesen hatte, nahm sich das Oberlandesgericht Frankfurt am Main der Sache nach Berufung der Kläger an. Dieses sah die Sachlage anders als das Landgericht und gab den Verbrauchern Recht. Demnach genügen die Berechnungen der Commerzbank zur Vorfälligkeitsentschädigung nicht den gesetzlichen Anforderungen.

Dazu müsste die Bank klare, prägnante, verständliche und genaue Angaben machen. „Maßgeblich ist dabei die Sicht eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Verbrauchers“, so das OLG Frankfurt am Main. „Ein solcher Verbraucher war nicht in der Lage, den Angaben in den Allgemeinen Darlehensbedingungen zu entnehmen, wie die Beklagte im Falle der vorzeitigen Rückzahlung die Vorfälligkeitsentschädigung berechnen würde“, heißt es weiter in der Urteilsbegründung. Die Richter verurteilten die Commerzbank daher, die erhaltene Vorfälligkeitsentschädigung nebst Zinsen zurückzuzahlen (Az.: 17 U 810/19).

BGH bestätigt Oberlandesgericht in seiner Auffassung

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ließ eine Revision nicht zu, wogegen die Bank eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof einreichte. Diese wurde nun jedoch zurückgewiesen (Az.: XI ZR 320/20).

„Mit seiner Entscheidung bestätigt der BGH faktisch das Urteil aus Frankfurt. Die Zurückweisung der Beschwerde ist ein gutes und wichtiges Zeichen für den Verbraucherschutz in Deutschland. Die Praktik der Banken, ihre Verträge entgegen der geltenden Vorschriften und zum Nachteil der Verbraucherinnen und Verbraucher zu gestalten, darf sich nicht lohnen“, erläutert Rechtsanwalt Marko Huth von der Kanzlei Gansel Rechtsanwälte. Sie hat das Urteil erstritten.

Die Kanzlei erwirkt derzeit viele positive Urteile gegen verschiedene Banken. Im Schnitt sparen Verbraucher nach ihren Angaben 12.500 Euro durch die Prüfung der Vorfälligkeitsentschädigung. Nach ihrer Schätzung ist das Urteil für rund 1,5 Millionen private Kreditnehmer interessant. Betroffen sind alle Kreditverträge, die seit dem 22. März 2016 abgeschlossen wurden. Darlehensnehmer sollten ihren Vertrag entsprechend prüfen lassen.

Höhe der Vorfälligkeitsentschädigung stets prüfen

Generell empfiehlt sich eine Nachberechnung der Vorfälligkeitsentschädigung. Laut der Verbraucherzentrale Hamburg sind die berechneten Vorfälligkeitszinsen häufig zu hoch. Die Verbraucherschützer kommen in drei von zehn Fällen zu anderen Zahlen als die Banken. Im Schnitt geht es dabei zwar nur um kleinere Beträge zwischen 500 Euro und 1.000 Euro, die Betroffene zurückfordern können. „in extremen Fällen sind es auch schon 5.000 Euro bis 10.000 Euro“, so die Verbraucherzentrale.