Richter fällt Urteil
Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Urteil zur Riester-Rente: Versicherer darf Rente nicht einseitig kürzen

Darf der Rentenfaktor der Riester-Rente gekürzt werden, wenn es um den Kapitalmarkt schlechter als erwartet steht? Nein, sagt das Landgericht Köln. Solange keine Erhöhung bei besseren Anlagebedingungen geregelt ist, sind solche Klauseln unwirksam. Für viele Riester-Sparer ist dies ein wichtiges Urteil. Denn es geht um tausende Euro ihrer Altersvorsorge.

  • Wie viel Rente Sparer aus ihrer Riester-Rente erhalten, hängt unter anderem vom Rentenfaktor ab.
  • Eine Kürzung des Faktors hat daher spürbare Auswirkungen für Versicherte.
  • Aus Sicht des Landgerichts Köln ist eine Senkung daher nur unter bestimmten Umständen möglich – und erklärte eine Anpassungsklausel für unwirksam.

Um knapp 25 Prozent kürzte der Versicherer Zurich Deutscher Herold 2017 den Rentenfaktor der fondsgebundenen Riester-Rente „Förder RenteInvest“ zusammen. Von 37,34 Euro, die der Kunde mit Rentenbeginn pro 10.000 Euro angespartem Kapital erhalten sollte, ging es herunter auf 27,97 Euro. Begründung: Die Niedrigzinsphase führt zu geringeren Kapitalerträgen als ursprünglich angenommen. Ohne Anpassung ließe sich die langfristige Erfüllbarkeit des Vertrags nicht gewährleisten.

Die Kürzung des Rentenfaktors bedeutet für Sparer einen deutlichen Einschnitt. Einer Beispielrechnung der Bürgerbewegung Finanzwende e.V. zufolge beträgt das Minus rund 30.000 Euro, wenn die Rente nach Auszahlungsbeginn für 20 Jahre fließt.

Entsprechend nachvollziehbar ist es, dass ein betroffener Zurich-Kunde die Entscheidung nicht hinnehmen wollte. Er klagte mit Unterstützung von Finanzwende gegen die einseitige Kürzung des Rentenfaktors seiner Riester-Rente – auch mit Blick auf die Zukunft. Denn wenn weitere Anpassungen zulasten der Versicherten möglich sind, geht die Planbarkeit ihrer Ruhestandsabsicherung verloren.

Riester-Rente: Anpassung des Rentenfaktors muss in beide Richtungen geregelt sein

Für das Landgericht Köln ist die Sache eindeutig: Die Klausel ist ungültig (Aktenzeichen Az. 26 O 12/22). Zwar beschreibt sie genau, wann eine Anpassung möglich ist – bei unerwartet erhöhter Lebenserwartung oder wenn die Rendite der Kapitalanlagen nicht nur vorübergehend sinkt. Es fehlt jedoch eine Regelung für eine Gegenleistung. Denn Anpassungsklauseln müssten „das vertragliche Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung in beide Richtungen wahren“, so die Richter.

Konkret bedeutet dies: Der Riester-Rente-Anbieter räumt sich mit der Klausel das Recht ein, den Rentenfaktor zu senken, wenn der Kapitalmarkt nicht wie erwartet performt. Das geht zulasten der Versicherten. Läuft es mit den Kapitalanlagen jedoch deutlich besser als erwartet, bleiben Kunden außen vor. Denn eine Erhöhung sieht der Vertrag nicht vor. Dies ist nicht zulässig.

Niedrigzinsphase keine ausreichende Begründung für Anpassung

Das Urteil zur Riester-Rente der Zurich geht noch weiter. Die Richter erklärten nicht nur die Klausel für unwirksam, sondern schoben auch zukünftigen Anpassungen einen Riegel vor.

Zwar beruft sich das Versicherungsunternehmen auf Paragraf 163 des Versicherungsvertragsgesetzes. Demnach ist der Versicherer „zu einer Neufestsetzung der vereinbarten Prämie berechtigt, wenn sich der Leistungsbedarf nicht nur vorübergehend und nicht voraussehbar gegenüber den Rechnungsgrundlagen der vereinbarten Prämie geändert hat.“ Für das Gericht erfüllt der Anbieter jedoch die Norm nicht, sodass es auch keine Anpassungsbefugnis gibt. Die Niedrigzinsphase reicht als Argument für eine Anpassung nicht aus.

Positives Urteil für Riester-Sparer: Höheren Rentenfaktor einfordern

Noch ist das Urteil nicht rechtskräftig, denn Zurich kann in Revision gehen. Angesichts der Signalwirkung ist es sogar möglich, dass der Fall erst abschließend vom Bundesgerichtshof bewertet werden kann.

Neben der Zurich haben die Allianz, AXA, R+V sowie VHV den Rentenfaktor bei der fondsgebundenen Riester-Rente gekürzt. Wird das Urteil rechtskräftig, könnten hunderttausende Kunden ihren alten Rentenfaktor mit Verweis auf die Rechtsprechung verlangen.

Genau dazu raten Experten. Betroffene sollten ihren Versicherer zeitnah anschreiben und mit Verweis auf das Urteil des Landgerichts Köln ihren alten Rentenfaktor einfordern – auch wenn das Urteil noch nicht rechtskräftig ist. Damit verhindern sie, dass ihre Ansprüche irgendwann verwirken. Wird die Riester-Rente bereits ausgezahlt, sollten sich Sparer ebenfalls beim Versicherer melden. Denn ihre Ansprüche können Kunden rückwirkend für drei Jahre verlangen.