Mann sitzt auf einer Treppe
Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Viel Kritik an Spahns Forderung zum Ende der Rente mit 63

Falsche Anreize, Belastung für künftige Generationen, auf Kosten des Wohlstands – mit einem Rundumschlag hat CDU-Politiker Jens Spahn die Abschaffung der Rente mit 63 gefordert. Aus seiner Sicht treibt sie den Fachkräftemangel voran und kostet der Rentenkasse zu viel Geld. Arbeitsminister Heil (SPD) weist den Vorstoß als lebensfremd zurück.

  • Rund zwei Millionen Fachkräfte hat der Arbeitsmarkt durch die abschlagsfreie Rente mit 63 verloren, so CDU-Politiker Jens Spahn.
  • Er fordert die Abschaffung der Rentenform, auch weil sie aus seiner Sicht zulasten künftiger Generationen geht.
  • Der Vorstoß erntet viel Kritik und wird von vielen Seiten als lebensfremd angesehen.

Zwischen 200.000 und 300.000 Menschen nehmen die abschlagsfreie Rente mit 63 jährlich in Anspruch. Das bedeutet, dass sie nach 45 Beitragsjahren in der gesetzlichen Rentenversicherung frühzeitig in Rente gehen, ohne dafür Abschläge zu zahlen. Wer weniger Jahre vorweist, büßt für jeden Monat, den er vor Beginn in den Ruhestand startet, 0,3 Prozent seiner Rente ein.

Laut Spahn fehlen durch die Frührente nun „bitterlich“ zwei Millionen Fachkräfte, wie er der Bild am Sonntag sagte. Er fordert, die Rente mit 63 durch eine verbesserte Erwerbsminderungsrente zu ersetzen.

Hohe Kosten der Frührente einsparen

Beistand bekommt der CDU-Politiker von der arbeitgeberfinanzierten Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft. Deren Geschäftsführer führt in der Zeitung aus, dass „die Rente mit 63 nicht mehr in die Zeit passt und bis spätestens Ende 2030 auslaufen muss.“ Einer Studie der Initiative zufolge müssen Beitragszahler wegen der Frührente bis 2035 fast 140 Milliarden Euro mehr in die Rentenkasse einzahlen, um die Kosten der Rente mit 63 auszugleichen.

Weniger offensiv zeigt sich CDU-Chef Friedrich Merz. Er betont in der Süddeutschen Zeitung zumindest, dass es bei längerer Lebenserwartung unausweichlich sei, länger zu arbeiten. Andernfalls ließe sich das Rentensystem nicht mehr finanzieren.

Rentenkürzungen drohen durch Abschaffung der abschlagsfreien Rente

Die Forderung nach dem Ende der Rente mit 63 stößt auf breiten Widerstand von verschiedenen Gewerkschaften und Parteien. Vor allem das Argument des Fachkräftemangels sehen Experten durch den Wegfall der Hinzuverdienstgrenze zum Jahresbeginn als entkräftet an. Seitdem können Frührentner so viel Geld neben ihrer Rente hinzuverdienen, wie sie wollen, und bleiben so dem Arbeitsmarkt ohne Nachteile erhalten.

Ricarda Lang, Bundesvorsitzende der Grünen, warnt, dass die Abschaffung der Rente mit 63 für viele Personen, die in belastenden Berufen arbeiten, zu Rentenkürzungen führen könnte. Denn sie sind durch die Dauerbelastung im Job gesundheitlich häufig nicht in der Lage, bis zum regulären Renteneintritt zu arbeiten. Ohne die abschlagsfreie Rente mit 63 bliebe nur die Frührente mit Abschlägen als Alternative.

Heil kritisiert ideologische Debatte

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) weist den Vorstoß gegenüber der Nachrichtenagentur dpa als „ungerecht und rücksichtslos“ zurück. Betroffen von der Abschaffung seien Personen, die „meist seit sie 14 Jahre alt sind malochen“ und die „viel zum Wohlstand unseres Landes beigetragen haben.“

Auch Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) empfindet Rentenkürzungen von Menschen, die früh angefangen haben zu arbeiten und lange eingezahlt haben, als leistungsfeindlich und unfair, sagte er dem Tagesspiegel. Aus seiner Perspektive wäre es „wünschenswert, wenn CDU und CSU sich wieder stärker mit dem Lebensalltag hart arbeitender Menschen als mit ideologischen Debatten beschäftigen würden.“ Heil fügt hinzu: „Wer an Handwerker und Pflegekräfte denkt, muss auf flexible Übergänge in den Ruhestand setzen und darf weder über Rente mit 70 noch über Rentenkürzungen fabulieren.“