Familie sitzt auf der Couch und schaut fern
Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Gesetzliche Krankenkasse: Besserverdiener sollen mehr Beiträge zahlen

Seit Jahren fehlt es der gesetzlichen Krankenversicherung regelmäßig an Geld. Bislang hat die Regierung mit höheren Zusatzbeiträgen und mehr Steuermitteln gegengesteuert. SPD und Grüne möchten diese Spirale nun durchbrechen. Mit ihrem Vorstoß müssten nicht alle Mitglieder mehr an die Krankenkasse zahlen, sondern nur Personen mit hohen Einkommen.

  • Eine drastische Erhöhung der sogenannten Beitragsbemessungsgrenze könnte für die gesetzliche Krankenversicherung Mehreinnahmen im Milliardenbereich bedeuten.
  • Mit der Anpassung würde der Höchstbetrag für die Krankenkasse schlagartig um mehr als 300 Euro pro Monat steigen.
  • Auf wenig Zustimmung stößt der Vorschlag beim Koalitionspartner FDP und bei Arbeitgeberverbänden.

Der Zusatzbeitrag ist für gesetzlich Krankenversicherte in den letzten Jahren von 0,9 Prozent auf 1,6 Prozent gestiegen. Doch trotz der zusätzlichen Einnahmen fehlt es den Krankenkassen chronisch an Geld. So erwartet der GKV-Spitzenverband im kommenden Jahr ein Defizit von bis zu sieben Milliarden Euro. Gründe dafür sind unter anderem die alternde Gesellschaft, Pandemie-Kosten und eine zu geringe Anzahl an Beitragszahlern.

Um das Defizit zu decken, müsste der Zusatzbeitrag für alle zwischen 0,2 Prozent und 0,4 Prozent steigen. Oder die Regierung entscheidet sich für einen Vorschlag, den die Parteivorsitzenden von Grüne und SPD, Ricarda Lang und Saskia Esken, gemacht haben. Sie wollen die Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung deutlich erhöhen. Die Grenze deckelt den Beitrag, den Versicherte an ihre Krankenkasse zahlen.

Aktuell wird ein maximales Monatseinkommen von 4.987,50 Euro brutto berücksichtigt, sodass der Höchstbeitrag bei 728 Euro zuzüglich Zusatzbeitrag liegt. Arbeitnehmer zahlen aufgrund des Zuschusses ihres Arbeitgebers die Hälfte.

GKV-Beitrag würde auf über 1.000 Euro im Monat erhöht werden

Würde der Vorschlag der beiden Parteien umgesetzt werden, stiege die Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der gesetzlichen Rentenversicherung. Konkret bedeutet dies, dass dann monatliche Einkommen bis 7.300 Euro berücksichtigt werden. Der Höchstbeitrag stiege so auf 1.065 Euro. Besserverdiener müssten spürbar mehr für ihre Krankenkasse zahlen. Für Durchschnittsverdiener würde sich dagegen nichts ändern.

„Pauschale Beitragserhöhungen sind langfristig nicht die Lösung“, erläutert Ricarda Lang im Handelsblatt. Saskia Esken ergänzt, dass „die maßvolle Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze ein vernünftiger Weg sein kann“, um die Kostensteigerungen im Gesundheitsbereich zu bewältigen. Wie eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaft Köln zeigt, könnte die gesetzliche Krankenversicherung mit Mehreinnahmen von rund fünf Milliarden Euro rechnen.

Wechsel in die private Krankenversicherung für Angestellte erschwert

Die Erhöhung der GKV-Beitragsbemessungsgrenze hätte noch einen Nebeneffekt. Mit ihr müsste auch die Versicherungspflichtgrenze steigen, die angibt, ab welchem Einkommen Angestellte in die private Krankenversicherung wechseln können. Der PKV-Verband sieht dies sehr kritisch. Für ihn käme die Entscheidung einem faktischen Ende der Wahlfreiheit zwischen GKV und PKV gleich.

Kritik kommt auch vom Koalitionspartner FDP. Im Handelsblatt bezeichnete die parlamentarische Geschäftsführerin der Fraktion, Christine Aschenberg-Dugnus, die Anhebung als den falschen Weg. Zudem sehen Arbeitgeberverbände den Vorstoß mit Sorge. Durch die paritätische Finanzierung des Krankenkassenbeitrags müssten auch sie mehr an die Kassen zahlen.

Leistungskürzungen oder höherer Bundeszuschuss als weitere Stellschrauben

Höhere Steuerzuschüsse wären eine andere Option, die Finanzlage der Krankenkassen zu entschärfen. Diese würde zulasten aller Bürger und nicht nur der Besserverdienenden gehen. Allerdings ist es unwahrscheinlich, dass Finanzminister Christian Lindner (FDP) den Bundeszuschuss erhöhen wird.

So bleiben neben einer weiteren Erhöhung des Zusatzbeitrags Leistungskürzungen als Stellschraube. Zuletzt hatte IKK-Chef Ralf Hermes vorgeschlagen, in den Bereichen Zahnbehandlungen, Homöopathie und Zahnersatz drastisch Mittel zu streichen. Solche Leistungskürzungen schließt Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) allerdings aus. Er arbeitet derzeit an einem Finanzierungskonzept. Abzuwarten bleibt, welche Maßnahmen dieses vorsehen wird.