Person im Nebel am Ende eines Stegs
Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Urteil zur Erwerbsminderungsrente: Bestandsrentner haben das Nachsehen

Die Höhe der Erwerbsminderungsrente hat sich in den letzten Jahren durch Anpassungen bei der sogenannten Zurechnungszeit verbessert. Allerdings profitieren davon nur Personen, die bisher keine Rente bezogen haben. Dies ist auch rechtens, hat nun das Bundessozialgericht geurteilt. Bestandsrentner können nur noch auf das Verfassungsgericht hoffen.

  • Zuletzt beschlossene Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente gelten nur für Neurentner.
  • Mit zwei Klagen wollten Betroffene erreichen, dass die Änderungen auch für sie greifen.
  • Sie scheiterten vor dem Bundessozialgericht. Für 1,8 Millionen Bestandsrentner bedeutet dies, dass ihre Renten nicht nach oben angepasst werden.

Das Bundessozialgericht hat sich aktuell gleich mit zwei Klagen zur gesetzlichen Erwerbsminderungsrente auseinandergesetzt. Kernpunkt war die Frage, ob es rechtens ist, dass die Erhöhung der Zurechnungszeit erst für Personen greift, die ab einem bestimmten Zeitpunkt auf die Erwerbsminderungsrente angewiesen sind. Aus Sicht der Kläger stellt dies einen Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz dar. Dem konnten sich die Richter allerdings nicht anschließen (Aktenzeichen B 5 R 29/21 R und B 5 R 31/21 R).

Zurechnungszeit bei der Erwerbsminderung: Worum geht es?

Die beiden Kläger bemängeln, dass bei der Anpassung der Zurechnungszeit zwischen Neurentnern und Bestandsrentnern unterschieden wird. 2018 wurde zunächst beschlossen, die Zurechnungszeit schrittweise von 62 Jahren auf 65 Jahren erhöht wird. Dies führte dazu, dass sich die Zurechnungszeit 2018 um drei Monate verlängert hat. 2019 folgte die sofortige Umsetzung, sodass der Zeitraum von 62 Jahren und drei Monaten auf 65 Jahren und acht Monaten stieg. Seitdem erfolgt eine schrittweise Anpassung auf 67 Jahre bis zum Jahr 2031.

Die höhere Zurechnungszeit hat erheblichen Einfluss auf die Rentenhöhe. Mit ihr wird bei der Berechnung der Erwerbsminderungsrente so getan, als hätten die Empfänger bis zu diesem Zeitraum gearbeitet. Andernfalls würde ihre Rente sehr niedrig ausfallen. Denn durch ihre Erwerbsunfähigkeit und den Jobverlust zahlen sie nicht mehr in die Rentenkasse ein, sodass sich ihre Rentensprüche nicht weiter erhöhen.

2013 lag die durchschnittliche Rentenhöhe noch bei 613 Euro monatlich, 2020 waren es bereits 882 Euro.

Richter weisen auf Verbesserungen für Bestandsrentner ab 2024 hin

Aus Sicht der Richter ist die Begründung zur Stichtagregelung sachlich nachvollziehbar und nicht willkürlich. Zum einem greift das Strukturprinzip der Rentenversicherung. Demnach dürfen Bestandsrentner von Neuregelungen weder benachteiligt werden noch von Leistungsverbesserungen profitieren. Zum anderen gäbe es einen „ganz erheblichen organisatorischen und finanziellen Mehraufwand“, wenn auch Bestandsrentner von der Neuregelung einbezogen wären, so das Gericht.

Außerdem berücksichtigten die Richter, dass die aktuelle Regierung bereits gegengesteuert und Verbesserungen für Bestandsrentner auf den Weg gebracht hat. Ab Juli 2024 erhalten sie abhängig vom Rentenbeginn einen pauschalen Zuschlag von 4,5 Prozent bis 7,5 Prozent.

Sozialverbände wollen zum Verfassungsgericht nach Karlsruhe ziehen

Die Kläger wurden von den Sozialverbänden SoVD und VdK unterstützt. Sie bewerten die Entscheidung des Bundessozialgerichts als bitter. Allerdings ist hier „das letzte Wort noch nicht gesprochen. Das Bundesverfassungsgericht muss nun klären, ob die derzeitige Gesetzgebung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des Grundgesetzes verstößt. Der SoVD und wir als VdK gehen deswegen nun nach Karlsruhe“, so VdK-Präsidentin Verena Bentele.