Von A wie Auffahren bis V wie Verfahren Auffahrunfälle: Was ist zu tun und wer ist schuld?

Einen kleinen Moment der Unachtsamkeit – und was folgt, ist der Aufprall und das blecherne Geräusch kollidierender Autos. Auffahrunfälle passieren häufiger als angenommen. Aber ist immer der Hintermann schuld? Zahlt die Kfz-Versicherung? Und welche Strafen drohen? Wir klären dich auf & sagen dir, wann der Verkehrsrechtsschutz hilft.

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Zu wissen, was zu tun ist

Auffahrunfall: das Wichtigste im Schnellcheck

Viele von uns waren schon in einen Auffahrunfall verwickelt. Erzählt man davon, heißt es meistens: “Wenn’s hinten kracht, gibt’s vorne Geld”. Das ist so aber richtig. Denn Auffahrunfälle können viele Ursachen haben: Ablenkungen hinterm Steuer, Träumerei, unübersichtliche Verhältnisse oder auch ein fehlerhaftes oder rücksichtsloses Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer.

Das solltest du prinzipiell über Auffahrunfälle wissen:

  1. Es herrscht der Anscheinsbeweis und das bedeutet, dass grundsätzlich der Hintermann die Schuld alleine trägt.
  2. Die Beweislast liegt vorrangig ebenfalls beim Hintermann, der durch Zeugen, genaueste Beschreibungen des Vorgangs oder Fotos gegen den Anscheinsbeweis vorgehen kann.
  3. Bist du allein schuld, drohen Bußgelder und Punkte in Flensburg.
  4. Ob die Versicherungen zahlen, ist abhängig von der Schuldfrage.

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Das A&O

01 Was musst du nach einem Auffahrunfall tun?

Was war zuerst da: das Geräusch von Blech auf Blech oder das Gefühl des Aufpralls? Bei einem Auffahrunfall sitzt der Schreck tief in den Gliedern. Auch wenn es nur ein kleiner Auffahrunfall war. Deswegen ist die erste Grundregel: Bleibe ruhig!

Versuche deine Gedanken zu sortieren, schaue, ob du dich verletzt hast und versuche klar zu denken, damit du die nächsten richtigen Schritte einleiten kannst.

Hier ist eine kleine Checkliste für dich:

  1. Warnblinker aktivieren, Warnweste anziehen und Warndreieck zur Absicherung der Unfallstelle aufstellen (100 bis 400 Meter; Kurven, Hügel und Tempolimit beachten)
  2. Mit dem im Auffahrunfall verwickelten Fahrzeug(en) Kontakt aufnehmen und eventuelle Personenschäden, also Verletzungen, feststellen. Bei Verletzungen bitte unverzüglich einen Notruf absetzen und Erste Hilfe leisten. Schleudertrauma und andere Verletzungen sind sehr ernst zu nehmen!
  3. Bei Personenschäden auch unbedingt die Polizei informieren.
  4. Fotos machen: von den Fahrzeugen, der Gesamtsituation und ggf. der Umgebung. Das ist sehr wichtig für die Beweislast und den Anscheinsbeweis. Wenn andere Fahrzeuge angehalten sind oder auch Passanten als Zeugen ansprechen und Kontaktdaten aufschreiben.
  5. Kontakt- und Versicherungsdaten austauschen.
  6. Und dann musst du vielleicht noch den Abschleppservice kontaktieren.

Nicht nur Schwarz und Weiß

02 Die Schuldfrage: Ist immer der Hintermann schuld?

Bist du der Hintermann und in einen Auffahrunfall verwickelt, wird grundsätzlich davon ausgegangen, dass die Schuld bei dir liegt. Das wird auch der „Anscheinsbeweis“ genannt. Bei den meisten Auffahrunfällen ist nämlich ein zu geringer Abstand zum nächsten Fahrzeug die Ursache. Das wird sich jetzt sicher ungerecht anfühlen, aber es gibt Ausnahmen.

Zuerst beantworte dir folgende Fragen:

  • Bist du vorausschauend und rücksichtsvoll gefahren?
  • War der Sicherheitsabstand ausreichend?
  • Hast du die Geschwindigkeitsbegrenzung eingehalten?
  • Warst du konzentriert und nicht abgelenkt (wenn auch nur kurz)?

 

Wenn du alle Fragen mit einem klaren „JA“ beantworten kannst, geht es darum, deine Unschuld oder Teilschuld zu beweisen. Und die Verantwortung liegt bei dir.

Deswegen solltest du, wie bereits oben erwähnt, Beweise sammeln. Das sind u.a. Fotos von der Unfallstelle, der Umgebung sowie von den Autos (besonders die kaputten Stellen), eventuelle Zeugen und eine ganz genaue Beschreibung vom Vorgang. Sind Zeugen in der Nähe, sind deren Kontaktdaten sehr wichtig für dich: notiere sie also.

All das ist vor allem wichtig für die Versicherung, ggf. die Polizei und bei Personenschäden auch, wenn es um Schmerzensgeld geht.

Wann ist der Vordermann schuld?

Hier kommt leider eine schlechte Nachricht, wenn du der Hintermann bist. Denn dem Vordermann wird, wenn dieser (mit)schuldig ist, meistens nur eine Teilschuld zugesprochen. Wie hoch diese ist, hängt von den einzelnen Situationen ab. Meistens liegt eine Teilschuld beim Vordermann bei ungerechtfertigten Bremsmanöbern. Hier aber mal ein paar Beispiele:

Bei ungerechtfertigtem Bremsen wird plötzlich und ohne ersichtlichen Grund gebremst. Da im Straßenverkehr jedoch das Prinzip des vorausschauenden und rücksichtsvollen Fahrens gilt, wird hier dem Vordermann sehr wahrscheinlich eine Teilschuld zugesprochen.

Bremst der Vordermann ruckartig wegen eines Blitzers ab, kann es für diesen Fahrer sogar Punkte in Flensburg geben! Weitere Situationen sind das Bremsen wegen einer Parklücke, eines kleinen Tieres, an einer grünen Ampel bzw. wenn alle Fahrzeuge anfahren, während eines Spurwechsels oder weil der Vordermann plötzlich bremst, um abzubiegen. Bei einem Spurwechsel kann dem Vordermann sogar die komplette Schuld zugesprochen werden.

Eine Vollbremsung ist jedoch gerechtfertigt, wenn Personen oder große Tiere plötzlich auf die Straße laufen. Hier wird gebremst, um Personenschäden zu vermeiden. Du als Hintermann hättest ebenfalls vorausschauender fahren müssen mit dem nötigen Sicherheitsabstand.

Auch Teilschuld ist relevant

In einem Urteil vom Landgericht Duisburg bekam der Vordermann, der wegen eines kleinen Vogels auf der Straße gebremst hatte, eine Teilschuld von 70 %.

Prinzipiell ist ein Sicherheitsabstand dafür da, um in solchen Situationen noch rechtzeitig reagieren und bremsen zu können. Wenn der Sicherheitsabstand also nicht ausreichend war, bekommt der Hintermann meist 50 % der Schuld.

Nach dem Knall

03 Mit welchen Strafen und Bußgeldern musst du rechnen?

Bei Auffahrunfällen gilt leider: alles kann, nichts muss. Ob ein Bußgeld, Fahrverbot, Geld- oder Freiheitsstrafe verordnet werden, hängt von den individuellen Situationen ab.

Ein Bußgeld wird meistens dann fällig, wenn grundlos gebremst wurde und so eine Gefährdung stattgefunden hat. Ebenso wenn der Sicherheitsabstand nicht eingehalten worden ist. Also alles, was gegen die Straßenverkehrsordnung verstößt. Das inkludiert auch § 1 StVO, in dem ständige Vorsicht, gegenseitige Rücksicht und Fahren ohne die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gepriesen werden.

In der Tabelle findest du einige Bußgelder, die bei Auffahrunfällen auf dich zukommen können. Beim Bußgeld ist es entscheidend, was der Auslöser für den Auffahrunfall war.

Auslöser oder VergehenBußgeld (Euro)Punkte und Fahrverbot
Bremsen ohne triftigen Grund (als Vordermann)30
Nicht angepasste Geschwindigkeit als Unfallauslöser35
Zu geringer Abstand zum bremsenden Vordermann35
Schneiden eines anderen Fahrzeuges beim Wiedereinfädeln nach einem Überholvorgang35
Parken außerhalb von Ortschaften ohne Fahrzeug­beleuchtung35
Liegen­gebliebenes Fahrzeug wird nicht durch vorgeschriebene Lichtquelle beleuchtet751 Punkt
Ausscheren zum Überholen ohne auf das überholende Fahrzeug zu achten1101 Punkt
Reifen hatten kein ausreichendes Profil1101 Punkt
Fahren ohne Winterreifen bei Glatteis, Schneematsch, Reif-, Eis – oder Schneeglätte1201 Punkt
Nicht angepasste Geschwindigkeit bei besonderen Straßen- oder Verkehrs­verhältnissen; schlechten Sicht- und Wetter­verhältnissen1451 Punkt
Handy am Steuer2002 Punkte; 1 Monat Fahrverbot

 

Vom Bußgeld zur Straftat

04 Auffahrunfälle: Personenschaden und Schmerzensgeld

Häufig ist es bei einem Auffahrunfall nur Blech, was zu Schaden gekommen ist. Wird jedoch ein Beteiligter dabei verletzt, besteht der Vorwurf der fahrlässigen Körperverletzung. In diesem Fall wird ein Strafverfahren statt eines Bußgeldverfahrens eingeleitet und das Urteil vor Gericht verhandelt.

Ein Beispiel: Der Hintermann hat während der Fahrt das Smartphone benutzt, hat nicht rechtzeitig gesehen, dass der Vordermann bremst und hat deswegen einen Auffahrunfall verursacht, bei dem der Vordermann verletzt worden ist und beispielsweise ein Schleudertrauma erlitt. Hier greifen zwei Kriterien: Verletzung eines Beteiligten und die Missachtung der Sorgfaltspflicht.

Die Strafen:

  • Geld- oder Freiheitsstrafe von bis zu 3 Jahren
  • Mögliche Auswirkungen auf den Führerschein, wie Punkte in Flensburg und/oder Fahrverbot

Außerdem hat der Geschädigte Ansprüche Schmerzensgeld und Schadensersatz, die er geltend machen kann.

Härtere Konsequenzen

05 Auffahrunfälle während der Probezeit

Bist du unter 21 Jahre alt oder noch in der zweijährigen Probezeit, warten noch ganz andere Konsequenzen auf dich. Verstöße werden hier in A- und B-Verstöße unterteilt, wobei A-Verstöße schwerwiegend sind, B-Verstöße weniger schwerwiegend.

A-Verstöße sind unter anderem :

  • Missachtung Überholverbot
  • Geschwindigkeitsüberschreitungen
  • Abstandsverstöße
  • Missachtung der Vorfahrt
  • Provozieren oder Auslösen eines Auffahrunfalls

Wenn eines dieser Verstöße der Auslöser für einen Auffahrunfall war, droht dir die Verlängerung der Probezeit auf insgesamt 4 Jahre und du musst zu einem Aufbauseminar, welches du auch selbst bezahlen musst. Je nach Verstoß ist auch das entsprechende Bußgeld zu bezahlen.

Bei Unfällen mit Personenschäden in der Probezeit kann je nach Schwere und Schuld eine Anklage wegen Körperverletzung auf dich zukommen wegen fahrlässiger Körperverletzung (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis 3 Jahre) oder fahrlässigen Tötung (Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis 5 Jahre).

 

Willst du aus Angst vor den Folgen den Unfallort einfach verlassen und begehst Fahrerflucht, ist das ein klarer A-Verstoß und es folgen 2 Jahre Probezeitverlängerung sowie der Besuch eines Aufbauseminars. Selbst wenn du nur ganz leicht irgendwo angeeckt bist.

Wer einen Schaden hat...

06 Welche Versicherung zahlt – wenn überhaupt?!

Nach einem Auffahrunfall sind eigentlich immer auch die beteiligten Autos demoliert – mal mehr, mal weniger. Aber dafür hat man ja (mindestens) eine Kfz-Haftpflichtversicherung, die einspringt. Oder?

Bei Autounfällen im Allgemeinen und auch bei Auffahrunfällen haftet die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallverursachers und kommt für den Schaden auf. Aber nur solange, wie dich keine Teilschuld trifft. Dann wird entsprechend anteilig gehaftet:

Wenn du eine Teilschuld von 30 % hast und der Beteiligte 70 %, wird dein Schaden zu 70 % von der Versicherung des Beteiligten bezahlt und deine Versicherung zahlt 30 % des Schadens des anderen. Hast du eine Vollkasko, übernimmt diese auch die restliche Summe deines Schadens.

Handelt es sich um eine so genannte Massenkarambolage und ein bestimmter Verursacher kann nicht sicher festgestellt werden, kann zu deinen Gunsten entschieden werden. Das heißt, dass dein Schaden komplett bezahlt wird und deine Schadenfreiheitsklasse unverändert bleibt.

Auffahr- und Autounfälle sind komplizierte Sachverhalte. Nicht nur wegen der Schuldfrage, sondern auch in der Kommunikation mit den Versicherungen und den Beurteilen deiner Ansprüche. Deswegen solltest du in jedem Fall einen Anwalt konsultieren oder deine Rechtsschutzversicherung informieren. Das wird deine Chancen immens erhöhen – vor allem beim “Verhandeln” der Schuld oder Teilschuld und eventuelle Strafverfahren.

Anja
Anja
Expertin für Verkehrsrechtsschutzversicherungen

Lieber auf Nummer sicher

07 Einspruch und Urteile

Egal welches Gesetz greift – die Straßenverkehrsordnung oder das Strafgesetz – du hast die Möglichkeit Einspruch einzulegen, sobald dein Bescheid vorliegt. Bei Auffahrunfällen steht auch immer die Schuldfrage im Raum und der Anscheinsbeweis. Bist du der Hintermann, hast du die dringende Aufgabe, deinen Schuldanteil zu verargumentieren und zu beweisen, dass du nicht oder nur zum Teil schuld bist.

Und dabei musst du gleich mehrere Instanzen „“managen“: die Unfallbeteiligten, Versicherungen und Behörden, wie Polizei oder Bußgeldstelle. Im schlimmsten Fall sogar ein Gericht. Und das solltest du keinesfalls ohne juristische Unterstützung tun! Jedes Prozent weniger deiner Teilschuld wird deine Kosten reduzieren. Auch kann dir ein Anwalt helfen, all die Schreiben zu verstehen und dich bestens über deine Rechte und Pflichten aufzuklären.

Und hier sind einige Urteile, wo die Schuld beim Vordermann lag und nicht beim Hintermann:

  • Eine Fahrerin ist nicht geübt im Fahren eines Automatik-Autos und tritt statt der Kupplung die Bremse und das 100 Meter vor einer Ampel (KG Berlin, Az.: 12 U 470/05)
  • Auf einer Linksabbiegerspur und bei grüner Ampel fährt ein Fahrzeug los und macht plötzlich eine Vollbremsung. Der Hintermann musste nicht fahren, da bei Grünphasen auch mit geringem Abstand angefahren werden darf (AG München Az.: 345 C 10019/01).
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Wir behalten deine Daten für uns, versprochen.

Zuletzt aktualisiert am: 15.03.2023

Autor des Beitrags

Anja
Expertin für Verkehrsrechtsschutz