Anja Schlicht
Anja Schlicht

Redaktionsleitung

Mikroapartments: Wie gesund ist das Leben in Kleinstwohnungen?

Schätzungen des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen zufolge fehlen hierzulande rund eine Million Wohnungen. Eine Ursache dafür ist der Mangel an bezahlbarem Bauland. Mikroapartments könnten daher eine Antwort auf den angespannten Wohnungsmarkt sein. Doch das Leben auf wenigen Quadratmetern funktioniert nur unter bestimmten Voraussetzungen.

Veröffentlicht am 24. Oktober 2017

In vielen Großstädten wie Berlin, Frankfurt am Main und Köln sind sie in Planung oder bereits bezugsfähig: sogenannte Mikroapartments. Der meist möblierte Wohnraum soll jene Wohnungssuchenden ansprechen, die möglichst zentral sowie zu verhältnismäßig niedrigen Mieten wohnen wollen. Viele Mikroapartments richten sich daher an Studenten und Pendler beziehungsweise Geschäftsleute.

Die Kleinstwohnungen, die oftmals nur zwischen 20 und 35 Quadratmeter groß sind, werden als die neuen Stars am Wohnungsmarkt bezeichnet und liegen im Trend. Teilweise werden sie sogar als Antwort auf die Wohnungsnot insbesondere in Großstädten gehandelt. Denn mit Mikroapartments lassen sich auf dem gleichen Bauland mehr Wohnungen realisieren als beispielsweise mit klassischen Zwei-Zimmer-Wohnungen. Doch „bisherige Wohnkonzepte lediglich um den Faktor X zu verkleinern, kann kein zufriedenstellendes Ergebnis bringen“, mahnt der Wohnpsychologe Dr. Harald Deinsberger-Deinsweger.

Mikroapartments: Wohnqualität auf wenigen Quadratmetern?

Mikroapartments sind meist sehr praktisch und modern sowie mit Bad und Kochzeile ausgestattet. Doch können ihre Bewohner dort wirklich langfristig auf 25 Quadratmetern oder weniger glücklich werden? „Wohnqualität hängt nicht unbedingt von der Quadratmeter-Anzahl ab“, sagt dazu Dr. Deinsberger-Deinsweger. Wichtiger sei die Erfüllbarkeit von Wohnbedürfnissen. Davon gebe es allerdings zwischen 40 bis 50. Aufgrund dieser Vielfalt würden viele Wohnkonzepte scheitern. Denn „die Planungsteams sind in der Regel nicht hinreichend geschult, wenn es um zwei zentrale Fragen geht: Welche Bedürfnisse sind überhaupt zu erfüllen? Und wie erfüllt man diese richtig im jeweiligen räumlichen Kontext?“

Kleinstwohnung müssen bestimmte Wohnbedürfnisse erfüllen

Dem Wohnpsychologen zufolge gibt es drei Aspekte, die bei Mikroapartments besonders wichtig sind:

  • Wahrnehmungsraum: „Je kleiner das Volumen im Rauminneren, desto wichtiger wird die Öffnung nach draußen“, erläutert Dr. Deinsberger-Deinsweger. Das ist beispielsweise mit großen Fenstern zu erreichen.
  • Freiflächen: Durch die Nutzung von Balkonen und Terrassen können negative Auswirkungen eines kleinen Wohnraumes verhindert werden.
  • Aneignungsraum: Ist die Wohnung in ihrer Größe begrenzt, gewinnt der Raum außerhalb von ihr an Bedeutung. Dort sollte es viele Möglichkeiten geben, sich zum Beispiel mit anderen Leuten zu treffen oder zu entspannen, beispielsweise eine Dachterrasse.

Zu viel Enge kann ungesund sein

Sind Mikroapartments nicht bedarfsgerecht gestaltet, sind negative Auswirkungen auf die Mieter eine mögliche Konsequenz. So können bei kleineren Singlewohnungen sogenannte Deprivationssymptome auftreten. Dann fühlen sich die Bewohner bei einem längeren Aufenthalt in der Wohnung beispielsweise unwohl oder verspüren eine leichte innere Unruhe. Möglich sind ebenfalls Konzentrationsstörungen oder generell Einschränkungen der kognitiven Fähigkeiten. Die Symptome können sogar so weit reichen, dass Mieter über psychosomatische Beschwerden klagen oder vermehrt Medikamente einnehmen, erläutert Dr. Deinsberger-Deinsweger.

Damit Mikroapartments tatsächlich eine Antwort auf den Wohnungsmangel darstellen können, „bedarf es innovativer Entwicklungen mit professionellem, wohnpsychologischen Knowhow“, betont daher der Wohnexperte.